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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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Salzmarktes untergetaucht. Nun schliefen sie und ihr Bruder im Armenhaus und bettelten am Tage zwischen Burgtor und Heiligen-Geist-Hospital, wobei sie aufpassen mussten, nicht einem der Männer oder Frauen in die Arme zu laufen, denen sie die Geldkatze oder den Almosenbeutel vom Leibgurt abgeschnitten hatten.
    Genau dies geschah eine Woche, nachdem Cristin und Baldo ins Armenhaus gezogen waren. Als Judith am Abend vom Betteln zurückkehrte, erzählte sie ihr, dass sie in der Engelsche Grove einem untersetzten, hässlichen Mann begegnet war, der sie unvermittelt auf offener Straße festgehalten hatte. »Bist du nicht das kleine Miststück, das mir meinen Geldbeutel gestohlen hat?«, hatte er genuschelt. Sein Griff war eisern gewesen, und als Judith den Mann treten wollte, hatte er ihr eine kräftige Maulschelle verpasst.
    »Der war stark wie ein Bulle, Agnes«, erzählte Judith noch ganz aufgeregt.
    »Warum hat er dich laufen lassen?«, wollte Cristin wissen. Schließlich saß das Mädchen zumindest äußerlich unversehrt neben ihr auf einer Bank in der kleinen Küche.
    Judith schlug die Augen nieder. »Das Schwein hat gesagt, wenn ich mit ihm komme, würde er mich hinterher laufen lassen. Wenn nicht, wollte er die Büttel rufen.«
    »Er hat dich mitgenommen, um …«
    Sie nickte. »Die Drecksau hat mich in ein Wirtshaus mitgenommen, der brauchte wohl noch mehr Wein, um sich in Stimmung zu bringen.« Judith schüttelte sich. »Der Mann hatte so einen merkwürdigen Mund mit einer Kerbe in der Oberlippe und stank wie eine ganze Spelunke. Und Sachen hat er mit mir gemacht, von denen ich noch nie gehört habe. Es war so ekelig …« Judith brach ab.
    Cristin fühlte, wie sich sämtliche Haare an ihrem Körper aufstellten. Eine Hasenscharte, die den Mann nuscheln ließ, eine untersetzte Gestalt und kräftige Arme. Sie befeuchtete ihre trockenen Lippen und zwang sich zur Ruhe, obwohl in ihrem Inneren ein Sturm tobte. Doch der Gedanke, der sich in ihr geformt hatte, wollte sich nicht verdrängen lassen. »Bist du verletzt?«, fragte sie behutsam und legte dem Mädchen den Arm um die Schultern. »Hat er dich …?«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Ich weiß, was du meinst. Nein, es war nicht das erste Mal. Hab schon mal für einen Jungen die Beine breit gemacht, aber da war es nicht so schlimm.« Ihr Grinsen wirkte schief. »Ich hätte dem Kerl die Eier abreißen können! Na ja, wenigstens bin ich um den Galgen rumgekommen und hab noch alle meine Finger!«
    Cristin schwieg und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Was wusste sie schon vom Leben der Bettler, Diebe und Hübschlerinnen, jenem Abschaum, dem man am liebsten nicht begegnete? Vom Gesindel, wie die sogenannte bessere Gesellschaft der Stadt diese Menschen nannte? Jedoch kannte sie sich bestens mit der Gier, Eitelkeit und Herzlosigkeit der Bessergestellten aus, die nur von einer teuren Maskerade verdeckt wurden. Oder von einem galanten und außerordentlich guten Benehmen, durchfuhr es sie. Sie schluckte.
    »Sag, wo ist dieses Wirtshaus?«, fragte sie heiser, nachdem sie beide eine Weile geschwiegen hatten.
    Judith schaute auf. »Die Holstenstrate entlang, am gegenüberliegenden Traveufer. Es heißt Zur Kogge . Kennst du es?«
    Cristin verneinte.
    Das Mädchen erhob sich und streckte den schmalen Rücken. »Mir tut immer noch alles weh. Verdammte Drecksäue, die.«
    »Was meinst du?«
    »Ich bin nicht die Einzige, die dort rangenommen worden ist. Da gab es noch einige junge Mädchen, die mit anderen Kerlen in den Kammern verschwunden sind. Manche Männer waren richtig vornehm, hatten gute Kleidung an und luden die Mädchen zum Essen ein. Sogar guten Wein haben die spendiert!« Judith senkte die Stimme. »Ich muss jetzt allein sein. Bitte entschuldige.«
    Cristin spürte, wie bei Judiths Worten das Blut aus ihren Wangen wich. Sie sah dem Mädchen nach, wie es aus der Küche schritt, und bedeckte dann ihr Gesicht mit den Händen.
    In diesem Moment betrat Baldo die Küche und ließ sich auf einen der Stühle fallen. »Ich habe Piet getroffen«, sagte er. »Leider hatte dein Bruder keine Neuigkeiten.«
    Er zog die Brauen zusammen. »Du bist ja kreideweiß. Was ist geschehen?«
    Sie berichtete mit stockenden Worten, was Judith ihr erzählt hatte. »Ich glaube, ich weiß, wer der Mann ist, Baldo. Vor langer Zeit habe ich einen Knochenhauer gekannt …«
    Seine Augen wurden schmal, während er ihr zuhörte, wie sie den Kerl in der Spinnerei getroffen und eine Krankheit bei

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