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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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Bären entdeckt hatten – über das holprige Pflaster in Richtung St. Marien rollten, breitete sich in Cristins Magen ein mulmiges Gefühl aus. Wunderschönes, prächtiges Lübeck. Eine Königin unter den Hansestädten, die Handel trieb mit aller Herren Länder. Aus Süden und Westen kamen Tuche und Weine, aus Ost und Nord Pelze, Honig, Getreide und Wachs. Das alles hatten ihre Eltern ihr berichtet und von dem Reichtum dieser Stadt geschwärmt. Wie sehr sie früher die Häuser aus rotem Backstein, die Ufer von Wakenitz und Trave und die Eleganz der Bürger geliebt hatte. Doch sie hatte nun die dunkle Seite Lübecks hinter der makellosen Fassade kennengelernt. Die Stadt, die lange ihre Heimat gewesen war, schien den Geruch von Leid, Armut und Ächtung mit sich zu tragen und hinterließ in Cristin einen bitteren Nachgeschmack.
    Eine Gruppe Mönche in braunem Habit schlenderte plaudernd vorbei, offensichtlich Franziskaner, die auf dem Weg zum Katharinenkloster waren. Mühsam riss sie sich von den Eindrücken der munteren Betriebsamkeit los und warf ihrem Begleiter einen verstohlenen Seitenblick zu. Nach dem Frühstück hatten Baldo und sie einen kurzen Spaziergang gemacht, und sie hatte ihm erzählt, dass es der Mord an ihrem eigenen Mann war, dessen man sie angeklagt und für den man sie zum Tode verurteilt hatte. Und dass Lukas’ Mörder noch frei herumlief. Nur stockend war ihr dieses Geständnis über die Lippen gekommen. Dabei hatte sie sich kaum getraut, ihn anzusehen, ahnte sie doch, die Trauer um Lukas und der Hass auf seinen Mörder würden sich in ihrem Gesicht widerspiegeln. Die darauffolgende Stille hatte auf ihren Schultern gelastet wie ein schwerer Sack.
    Bis Baldo ihr Kinn anhob. »Du warst es nicht. Du kannst es nicht gewesen sein, Cristin«, war sein einziger Kommentar gewesen.
    Verblüfft hatte sie sich von ihm weiterziehen lassen, bis sie an einem Getreidefeld im Schatten einiger Buchen stehen geblieben waren. Nach einer Weile des Schweigens hatte sie ihren ganzen Mut zusammengenommen. »Ich … ich möchte dir erklären, warum ich dich belügen musste. Außerdem wirst du weitere Fragen haben. Ich werde sie dir beantworten, soweit …«
    Sein Gesicht hatte sich verdüstert. »Nicht jetzt, Cristin. Lass es gut sein.«
    Baldo hatte sie noch einmal eindringlich gebeten, die Gauklertruppe und damit auch ihn nicht zu verlassen. Nur im Schutze dieser Leute wären sie einigermaßen sicher, erklärte er ihr. So sehr sie sich auch über seine Sorge freute, im Inneren nagte noch immer die Furcht an ihr, er könne sich irren. Schließlich hatte Cristin eingewilligt und versprochen zu bleiben.
     
    Am Rand des weiträumigen, gepflasterten Platzes zwischen Rathaus, Fronerei und St. Marien brachten die Männer die Pferde zum Stehen. Es herrschte rege Betriebsamkeit, als Cristin von dem Wagen herabkletterte und Baldo herunterhalf.
    »Danke.«
    Sie stutzte, als er sich ein schwarzes Stück Stoff um sein linkes Auge band, das mit groben Bändern am Hinterkopf zusammengehalten wurde. Eine Augenklappe! Cristin blinzelte. Wie fremd und finster er damit und auch mit dem Bart wirkte. Baldo hielt zum Zeichen, sie möge schweigen, einen Finger auf den Mund. Wortlos nickend lehnte sie sich mit dem Rücken gegen den Planwagen und ließ den Blick über den Platz schweifen, auf dem sich das Volk zwischen den Buden und Ständen der Bäcker, Gewürzhändler und Kräuterweiber im Schatten der hohen roten Backsteinkirche drängte. Von den grünlich schimmernden Dächern drang das Gurren der Tauben zu ihr herüber, vermischt mit heiserem Möwengeschrei. Seit dem verhängnisvollen Tag, an dem man sie hier festgenommen und in die Fronerei auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes geführt hatte, schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Sie zitterte.
    Im nächsten Moment spürte sie Baldos kräftige Finger, die ihr Handgelenk umfassten. »Niemand wird dich, wird uns erkennen«, raunte er. »Verhalte dich so gelassen, wie du nur kannst. Du musst!«
    Sie sah zu Boden und beobachtete eine Taube, die sich keck zwischen den geschäftig umhergehenden Menschen hindurchbewegte, um ein Stückchen Brot von einem Kind zu ergattern, das es dem Tier hinhielt. Dabei spürte sie die Neugier der Passanten wie Messerstiche im Rücken.
    »Wir bleiben bei deiner Geschichte, sind auch weiterhin die Geschwister Adam und Agnes. Adam, der Musikant, und Agnes, die Frau, die den Leuten aus der Hand …«
    »Vielleicht könnt ihr eure Unterhaltung auf

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