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Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06

Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06

Titel: Die Gottin des Sternentanzes - Unter dem Weltenbaum 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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endlich ins Sonnenlicht hinaus.
Sonnenlicht?
    Hatte der Zweikampf die ganze Nacht hindurch angehalten?
Dreißig Schritte von der Eisfestung entfernt blieben
sie stehen, hechelten wie Hunde, versuchten wieder zu
Atem zu kommen und drehten sich um.
Das gesamte Bauwerk brach in sich zusammen. Stürzte, wie Axis erkannte, auf Gorgraels Gemach und letzte
Ruhestätte zu. Ein unerwarteter und befremdlicher Gedanke kam ihm. Diese wunderbare Eisburg stellte das
nach außen hin sichtbare Sinnbild der Schönheit dar,
nach der der Zerstörer zeitlebens für sich selbst gestrebt
hatte.
Und während dieser Gedanke sich in seinem Bewußtsein ausbreitete, mußte der Krieger auch daran denken, in
welch vollkommener Einsamkeit und umgeben von vielerlei Ängsten Gorgrael sein Dasein gefristet hatte. Fast
hätte Axis so etwas wie Mitleid mit seinem Halbbruder
aufkommen lassen … aber in diesem Moment stürzte die
gesamte Eisfestung in die Tiefe, und mit ihr vergingen
sämtliche mitleidige Gefühle für Gorgrael, als hätten sie
niemals bestanden.
Ja, es war vorüber.
Axis fiel im Schnee auf ein Knie und blieb dort, den
Kopf auf die Hand gestützt. Arne stand hilflos daneben
und spürte, welch ungeheurer Schmerz seinen Herrn
überkommen hatte.
Lange Zeit verharrten sie schweigend, und der eisige
Nordwind fuhr ihnen durchs Haar und zauste an ihren
Kleidern.
Zwei Männer, wie festgefroren in einer Eislandschaft.
    Der Krieger hob den Kopf. Dann stand er langsam auf,
seine Glieder waren ganz steif, und alles tat ihm weh. Er
reichte Arne das Regenbogenzepter.
    »Nehmt Ihr das.«
»Aber, Sternenmann …« stammelte der Getreue und
brachte den Stab so vorsichtig an sich, als bestünde er
aus glühendem Eisen. »Was wünscht Ihr denn, daß ich
damit anfange?«
»Nehmt es einfach«, entgegnete Axis rauh. »Bringt
das Zepter nach Sigholt, und übergebt es Aschure. Soll
sie entscheiden, was damit geschehen soll.«
Grimmige Entschlossenheit trat in Arnes Züge. »Herr,
mein Platz ist unverrückbar an …«
»Euer Platz ist dort, wohin ich Euch schicke!« brüllte
der Krieger ihn an. Arne fuhr zurück, als er den Schmerz
und das Leid in Axis’ Augen sah.
»Hinter meinem Rücken lauern keine Verräter mehr«,
fuhr der Krieger nun ruhiger fort und bedauerte seine
harten Worte bereits. »Es ist vorbei, Getreuer. Wohin ich
mich jetzt wende, muß ich alleine gehen. Bitte, nehmt
das Zepter und zieht los.«
Arne nickte, setzte sich aber noch nicht in Bewegung.
Sollte er ganz allein durch die Eisödnis irren? Er besaß
kein Pferd, nicht einmal Vorräte … kein Essen … keinen
Brennstoff, um abends ein Feuer zu machen …
»Ich nehme ihn mit«, ertönte von der Seite eine grollende Stimme.
Beide Männer fuhren herum.
Nur wenige Schritte entfernt saß ein Eisbär, dem ein
Ohr fehlte.
»Urbeth!« entfuhr es Axis, und er konnte nicht glauben, sie wirklich vor sich zu sehen.
Die Bärin starrte auf das riesige Eisgebilde, das zusammengebrochen war und langsam in der Sonne verging. »Die Festung hat beim Einsturz ein solches Spektakel veranstaltet, Sternenmann, daß meine Jungen davon
aufgewacht sind. Da mußte ich doch nach der Ursache
sehen.«
»Ich entschuldige mich für diese grobe Störung der
Mittagsruhe Eurer Kleinen. Könnt Ihr Arne mitnehmen
und ihm den Weg zeigen?«
Sie legte den Kopf schief. »Ich mag den Mann. Er besitzt einen ganz besonderen Humor. Kommt, Arne, ich
führe Euch zum Krallenturm, und von dort werdet Ihr
Euch schon allein zurechtfinden.«
Der Getreue drehte sich zu seinem Herrn um und öffnete den Mund, aber es fehlte ihm an Worten.
Axis legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich danke
Euch, Arne. Sorgt Euch nicht um mich, denn wir werden
uns gewiß wiedersehen.«
Der Mann nickte und wandte sich ab. Er starrte die
riesige Eisbärin an, die nun auf allen vieren stand und in
Richtung ihres Rückens nickte.
»Nein«, entschied sie dann, »Ihr könnt laufen.« Damit
kehrte sie ihm ihr Hinterteil zu und setzte sich rüstig gen
Westen in Bewegung.
Ohne noch einen Blick zurückzuwerfen, folgte Arne
ihr. Das Zepter hatte er sicher in seinem Umhang untergebracht.
34 T ÄUSCHUNG UND
E
NTHÜLLUNG
    Axis sah den beiden noch lange hinterher. Die mächtige
elfenbeinfarbene Bärin und der viel kleinere Arne entschwanden immer mehr seinen Blicken, doch das tiefe
Grollen von Urbeths Stimme drang noch ziemlich lange
an sein Ohr.
    Als der Krieger dann nur noch von Stille und leichtem
Pulverschnee umgeben war,

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