Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
willigen Diener sein.«
Die Stimme verstummte. Doch hinterließ sie eine Schwingung, die einige Augenblicke lang sämtliche Nervenenden der beiden Zuhörer durchschauerte. Es war wie der Nachhall einer eben verklungenen, lieblichen und betörenden Musik, deren in ihrer raffinierten Melodie mitschwingende Obertöne des Bösen kaum wahrnehmbar sind. Sie betäubte die Sinne von Haines und Chanler, lullte die Männer ein und verwandelte ihre Verblüffung in eine traumentrückte Bereitschaft, sich der Stimme und ihren Einflüsterungen zu fügen.
Es war Chanler, der einen Anlauf unternahm, diesen Bann zu brechen und von sich abzuschütteln.
»Wo steckt ihr überhaupt?«, begehrte er zu wissen. »Und warum sollten wir euren Worten Glauben schenken? Euer Angebot ist gar zu befremdlich, gar zu unerhört, um unbedacht darin einzuwilligen.«
»Ich bin ganz in eurer Nähe«, erwiderte die Stimme. »Doch ist es nicht mein Wille, mich euch jetzt schon zu offenbaren. In Kürze offenbar werden soll euch dagegen der Beweis für die Wahrheit jedes meiner Worte. Mit eurem Unglauben übe ich Nachsicht … Ihr seht vor euch eine der Blumen, von denen ich sprach. Es handelt sich nicht, wie ihr vielleicht vermutet habt, um die Arbeit eines Bildhauers. Vielmehr habt ihr einen Antholiten vor Augen – eine versteinerte Blüte, die ich zusammen mit anderen gleicher Art von dem Planeten mit mir brachte, dem ich entstamme. Bei gewöhnlichen Temperaturen ist sie geruchlos. Erhitzt man sie jedoch, strömt sie ihren Duft aus. Was nun diesen Duft angeht … so mögt ihr aus eigener Anschauung urteilen.«
In der Kammer war es bislang weder warm noch kalt gewesen. Nun jedoch spürten die Männer von der Erde eine Veränderung, als wären verborgene Feuer entfacht worden. Die Wärme schien von dem metallenen Dreifuß und dem Kristallblock auszuströmen und schlug Haines und Chanler entgegen wie der Glutschwall einer verborgenen tropischen Sonne. Hitze erfüllte das Gemach, doch blieb sie erträglich. Zugleich nahmen die beiden Erdbewohner einen Duft wahr, der anders war als alles, was sie je zuvor eingeatmet hatten. Er umfächelte sie wie der trügerisch-liebliche Hauch einer außerirdischen Welt und verdichtete sich dann langsam aber beständig zu einem würzigen Aroma, in das sich auf widersprüchliche Weise die wohltuende Kühle eines beschattenden Laubdachs mit der jetzt im Gemach vorherrschenden Gluthitze mischte.
Die eigentümlichen Halluzinationen, die der Duft hervorrief, erlebte Chanler intensiver als sein Gefährte. Aber auch wenn ihre jeweiligen Wahrnehmungen den beiden Männern unterschiedlich real erschienen, fielen sie doch sonderbar ähnlich aus …
Chanler kam es plötzlich vor, als wirke der Duft nicht mehr ganz so fremd auf ihn, sondern als erinnerte er sich seiner aus früheren Zeiten und von anderen Orten her. Er strengte sein Gedächtnis an, um sich der Begleitumstände jener einstigen Vertrautheit zu entsinnen – und wie zutage gefördert aus dem verschütteten Brunnen eines früheren Lebens erstand eine neue Umgebung aus Chanlers Erinnerungen. Sie wirkte so real, dass die unterirdische Kammer, die Chanler umgab, sich dahinter auflöste und verflüchtigte. Auch Haines war verschwunden und nirgendwo mehr zu sehen. Ebenso waren das Spitzgewölbe und die Wände verblasst und einem Wald aus farnartigen Bäumen unter offenem Himmel gewichen. Ihre schlanken, perlmuttfarbenen Stämme und ihr zartes Laub badeten in strahlendem Licht – gleich einem Garten Eden im Morgenglanz des ersten Schöpfungstages. Die Bäume ragten hoch empor, doch noch höher als diese reichten die Blumen hinauf, deren fleischlich-weiße Kelche, schwingenden Weihrauchgefäßen gleich, einen betörenden, sinnlich-wollüstigen Duft verströmten.
Ein unbeschreiblicher Wonnerausch ergriff von Chanler Besitz. Es war, als habe er zum Urquell der Zeit auf dem urersten aller Planeten zurückgefunden und unerschöpfliches Leben getrunken, habe ewige Jugend und nie versiegende Spannkraft gewonnen aus dem strahlenden Licht und dem betörenden Duft, die seine Sinne bis in die letzte Nervenspitze durchströmten.
Chanlers Ekstase steigerte sich. Aus den aufgebrochenen Blüten schien eine Melodie zu ertönen: ein paradiesischer Sirenen-Singsang, bei dessen Klang das Blut wie ein prickelnder, aufpeitschender Trank durch Chanlers Adern schäumte. In Chanlers Fieberrausch der Sinne verschmolzen der Gesang der Blüten und ihr Wohlgeruch und wurden eins … Ihr Choral
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