Die Grabgewoelbe von Yoh-Vombis - Gesammelte Erzaehlungen Band 2
handelte es sich bei den Gebilden nicht um lebende Gewächse. Vielmehr waren sie längst versteinert und durchsetzt von mineralischen Einschlüssen. Haines versuchte, eine der Keulen loszubrechen, doch wie sehr er auch daran rüttelte und riss, sie widerstand seinen Anstrengungen. Erst als er ihr mit einem losen Felsstück wie mit einem Hammer zu Leibe rückte, gelang es ihm, die Keule dicht über dem Boden abzuschlagen. Mit metallischem Klirren kippte sie ihm vor die Füße. Er hob die Keule auf: sie war sehr schwer und wies eine streitkolbenartige Verdickung am oberen Ende auf, woraus er schloss, dass sie im Notfall eine brauchbare Waffe abgeben würde. Haines brach auch für Chanler eine Keule ab und dergestalt gewappnet setzten sie ihre Flucht fort.
Es war unmöglich, die Strecke abzuschätzen, die sie bereits zurückgelegt hatten. Die Flussrinne beschrieb Krümmungen und Kehren, an manchen Stellen sackte sie jäh ab und häufig war der Fels in Furchen aufgebrochen, aus denen fremdartige Erze hervorblitzen. Andere wiederum waren durchsprenkelt von Oxiden mit leuchtend azurblauer, zinnoberroter und gelblicher Färbung. Die Männer stapften knöcheltief durch Kuhlen voller schwärzlichem Sand, dann wieder kletterten sie mühsam über dammhohe Hindernisse aus rostfarbenen Geröllblöcken hinweg, die so gewaltig waren wie aufeinander gewuchtete Menhire.
Von Zeit zu Zeit ertappten sie sich dabei, wie sie in fieberhafter Anspannung nach jedem Geräusch lauschten, das auf Verfolgung hindeutete. Doch erfüllte Schweigen den urzeitlichen Kanal, gestört nur vom klackenden, knirschenden Laut ihrer eigenen Schritte.
Dann endlich erblickten sie weit voraus das Heraufdämmern eines fahlen Lichtschimmers. Die beiden Männer glaubten kaum, was sie da sahen, als sich die gewaltige Höhle, die sie umgab, vor ihren Augen Gewölbebogen für Gewölbebogen gleich dem von Höllenfeuern erhellten Rachen der Unterwelt aus dem Dunkel schälte. Einen jauchzenden Moment lang glaubten die Flüchtigen, die ins Freie führende Mündung des Flussbetts erreicht zu haben. Doch wurde das Licht immer greller, gewann eine gespenstische und furchteinflößende Intensität, die viel eher dem Widerschein lodernder Hochöfen glich als Sonnenstrahlen, die ins Innere einer Höhle fallen. Unerbittlich kroch das Licht über die Höhlenwände und über den Höhlenboden heran und fraß den schwächlichen Schein von Haines’ Taschenlampe, während es sich über die beiden geblendeten, schwindelnden Erdenmänner ergoss.
Unheil verkündend und unergründlich war dieses Leuchten, es schien die Flüchtenden zu belauern und zu bedrohen. Die beiden Männer erstarrten, erschrocken und unschlüssig, ob sie nun weitergehen oder kehrtmachen sollten. Da jedoch erklang aus der flammenden Luft eine Stimme, die im Tonfall sanften Tadels zu ihnen sprach. Sie vernahmen die liebliche, wohltönende Stimme Vulthooms:
»Geht dorthin zurück, ihr Erdlinge, woher ihr gekommen seid. Niemand verlässt Ravormos ohne mein Wissen oder gegen meinen Willen. Seht! Ich habe meine Wächter gesandt, euch zu geleiten.«
Bisher war die erleuchtete Luft allem Anschein nach leer gewesen und auch das Flussbett schien einzig belebt von den bizarren Ansammlungen und gedrungenen Schatten der Felsbrocken. Doch kaum war die Stimme verhallt, da nahmen wenige Meter entfernt urplötzlich zwei Geschöpfe vor Haines und Chanlers Augen Gestalt an – Geschöpfe, die mit nichts vergleichbar waren, das die von Mars oder Erde her vertraute Tierwelt aufzubieten hatte.
Hoch aufragend wie ausgewachsene Giraffen standen die beiden Wesen urplötzlich auf dem steinigen Flussgrund. Getragen von Stummelbeinen, die entfernt an die Gliedmaßen chinesischer Drachen erinnerten, besaßen sie umso längere Spiralhälse ähnlich den eingerollten Leibern großer Anakonda-Schlangen.
Ihre Köpfe wiesen jeweils drei Gesichter auf, womit sie jederzeit als höllenartige Analogie der hinduistischen Trimurti durchgehen konnten. Keines dieser Gesichter schien über Augen zu verfügen. Doch klafften unterhalb der fliehenden Stirnen tiefe Höhlen, aus denen mächtige Flammengarben hervorschossen. Ebenso erbrachen die gähnenden Mäuler, die jenen gotischer Wasserspeier glichen, eine unaufhörliche Flammenflut. Den Kopf eines jeden Ungeheuers krönte ein dreigezackter, scharlachroter Kamm mit gefährlichen Spitzen, von dem ein grässliches Glühen ausging.
In den Gesichtern beider Kreaturen kräuselte sich ein Gewirr blutroter
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