Die Graefin der Woelfe
seine junge Frau nach Hause. Andres hat sie vom Hügel aus beobachtet, sie müssen bald hier sein.«
Jetzt hörte sie den herannahenden Tross und erblickte wenig später auch die zwei Reiter, die ihn anführten. Sie stellten sich beim Näherkommen als der Graf und die Gräfin heraus. Es schien, als wäre auch die Dame die ganze Strecke über im Sattel gesessen. Das wunderte Margeth, doch sie hielt sich nicht länger mit dem Gedanken auf. Stattdessen schickte sie sich an, vor den Reitern auf die andere Straßenseite zu wechseln. Dort stand die Schusterin, schwer an den Türpfosten gelehnt, eine Hand schützend über dem weit vorgewölbten Leib.
Plötzlich geschah alles gleichzeitig. Margeth setzte den Fuß auf das staubige Pflaster, ein Pferd erschrak und wieherte laut, ein schwarzer Schatten huschte pfeilschnell quer über die Straße. Was war das? Ein Hund, ein Wolf oder Schlimmeres? Angst machte sich breit, sie wollte zurück zu ihrem Haus, da hörte sie Libuses gellenden Schrei.
Margeth hastete zu ihrer Freundin, die sich im Türpfosten krümmte, die Hände unterhalb ihres Leibes gepresst, als müsste sie ihre Frucht dort festhalten. Sie kam gerade rechtzeitig, um Libuse zu stützen. Gemeinsam mit einem der Dorfbewohner brachte sie die von einer heftigen Wehe erschütterte Schwangere ins Innere des Hauses.
*
Marijke linste zwischen den Vorhängen der Kutsche hindurch, als diese klappernd in den Burghof hineinrollte. Die Feste war alt und teilweise verfallen. Ein Langbau, zwischen dem trutzigen Bergfried und einer windschiefen Kapelle eingezwängt, diente als Wohnstatt. Dieser Palas wirkte genauso alt wie jeder andere Teil der Anlage. Marijke verzog das Gesicht. Welch ein Unterschied zu dem weitläufigen Schloss der Fürsten von Torgelow. In dieser zugigen und unwürdigen Umgebung würden sie nun also den Rest ihres Lebens verbringen müssen. Sie seufzte, doch sie wollte tapfer sein, sich nicht beschweren.
Bis ans Ende der Welt würde sie Amalia folgen, die sie seit nahezu zwanzig Jahren durch ihr Leben begleitete. Keine andere hatte es länger in Walpurgas Diensten ausgehalten. Alle Kindermädchen und Ammen waren spätestens nach sechs Monaten verschwunden. Sie war als Einzige geblieben, hatte dem Kind Zofe, Kindermädchen und Mutter ersetzt. Wie sehr liebte sie dieses Mädchen.
Nicht, dass die Prinzessin immer ein Sonnenschein gewesen wäre. Ganz im Gegenteil, sie war ein wildes, ungezogenes Kind, das sich ständig schmutzig machte, die Kleider schneller verschliss als sie hinauswuchs, was rasch genug geschah. Sie tobte mit Vater, Bruder und Jakobus herum, wie es sonst nur Bauernlümmel taten. Dennoch, da war auch eine andere Seite. Marijke erinnerte sich, wie oft Amalia in ihre Arme flüchtete, vor allem, wenn sie wieder einmal von ihrer Mutter abgewiesen worden war. Es waren Stunden voller Zärtlichkeit, die sie mit ihrer Prinzessin erlebte.
Ihr Herz floss über. Niemals vorher hatte sie eine solche Nähe zu einem Menschen verspürt wie zu diesem kleinen, meist schmutzigen Wirbelwind. Tränen stiegen in ihre Augen. Die kleine Prinzessin war in der Tat der einzige Mensch, den sie jemals in den Armen gehalten hatte.
Die Equipage hielt und der Schlag wurde schwungvoll aufgerissen. Eine schwielige Hand streckte sich Marijke entgegen. Der Mann, dem sie gehörte, grinste und zeigte zwei lückenhafte Reihen gelber Zähne.
»Willkommen auf Burg Falkenfried.«
Marijkes Blick streifte über das einfache braune Wams und die schmutzigen Stulpenstiefel des Dieners. Ohne die ausgestreckte Hand zu beachten, setzte sie ihre Stiefel auf das nicht nur mit Staub und Lehm beschmutzte Pflaster des Burghofes.
Die Prinzessin hingegen schien keinen Anstoß an der alles dominierenden Einfachheit zu nehmen. Sie stand neben Graf Wenzel, begrüßte die Stallburschen und strahlte vor Glück.
»Ähm.« Der Mensch neben ihr räusperte sich.
Marijke blickte irritiert auf. Was wollte er noch?
»Also, soll meine Frau Ihnen jetzt Ihre Räume zeigen oder wünschen die Dame, zunächst die Gemächer der Gräfin in Augenschein zu nehmen?«
Marijke ignorierte seine Frage und zeigte mit ausladender Geste auf die beiden Kutschen, in denen das Gepäck transportiert wurde. »Bring alles, was in den Kutschen ist, in die Gemächer der Gräfin und achte darauf, dass das Gepäck nicht beschädigt wird. Stell es so hinein, dass die Herrschaften die Kammer noch betreten können.«
Der Diener sah sie aus großen Augen fragend an.
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