Die grosse Fahrt der Sable Keech
Tiefe. Janer gesellte sich zu ihm und folgte seinem Blick. Etliche Würmer kämpften sich weiterhin an der Schiffswand herauf, aber bislang war keiner in bequemer Griffweite von der Reling.
»Sind dir schon ihre Zehen aufgefallen?«, fragte der Golem.
Janer sah, dass die erwähnten Dinge so flach und rund waren wie immer. »Was soll mit denen sein?«
Wade deutete mit dem Finger. »Die Rumpfbemalung hat einen sehr niedrigen Reibungskoeffizienten – ausreichend, um zu verhindern, dass irgendwelche Schnecken oder Blutegel heraufklettern –, und doch schaffen es diese Viecher immer noch, an Bord zu gelangen. Sieh nur.« Erstreckte die Hand aus, riss etwas ab und zeigte es Janer. Es war ein Rhinowurmbein, an der Schulter abgerissen. Wade stieß mit dem Finger auf eine Zehe. »Wie du siehst, ähnelt die Struktur sehr der einer irdischen Echse, die man Gecko nennt.«
»Und worauf zielst du ab?«, fragte Janer. Obwohl er selbst eben noch auf diese unwillkommenen Enterer geschossen hatte, fand er die Gefühllosigkeit inakzeptabel, die sich darin zeigte, einem der Tiere ein Bein abzureißen, nur um die Zehen zu studieren. Das erschien ihm unmenschlich, was es natürlich auch war.
»Warum sollten Meerestiere solche Zehen entwickeln? Welchen Nutzen haben sie davon?«
»Diese Frage könntest du genauso gut auch nach den Beinen generell stellen, aber denkst du nicht, dass wir wichtigere Sorgen haben?« Janer deutete zu Zephir hinauf. »Deine andere Hälfte ist immer noch ziemlich erregt und sieht für mich ganz so aus, als würde sie sich gleich davonmachen.«
»Seine Erregung ist ein gutes Zeichen«, erwiderte Wade. »Seine Zeit als abgegrenztes Wesen steht jetzt im Konflikt mit seinem Wahnsinn.«
»Also fliegt er nicht weg?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
Janer fragte sich, wie er diesen Golem vor sich am besten einschätzen sollte. Unter diesem menschlichen Äußeren und der Emulation war er nicht mal eine normale KI (falls so etwas überhaupt existierte).
»Hast du Angst, darüber abschließend zu urteilen?«, fragte er. »Ich vermute, dass Zephir eine Gefahr für die gesamte Ökosphäre dieses Planeten darstellt, nicht zu vergessen dessen Finanzsystem.«
Ein weiterer Rhinowurm steckte den Kopf über die Reling, und Wade prügelte ihn beiläufig mit dem Bein hinunter, das er noch in der Hand hielt. Fast als hätte dieser eine Wurm das Gesamtgewicht der Sable Keech festgehalten, wechselte auf einmal das Dröhnen der Triebwerke die Tonlage; das Knirschen setzte erneut ein und hielt an, als die Schrauben das Schiff zurück ins Meer zogen. Wade und Janer verfolgten, wie Knäuel miteinander kämpfender Würmer an ihnen vorbei zum Bug glitten und dabei in den ersten Wellen auf und ab hüpften, die von der Fahrt des Schiffs erzeugt wurden.
Janer spreizte die Beine, um besser das Gleichgewicht zu halten, und sagte: »Vielleicht sollte ich die Entscheidung für dich treffen?«
»Das wird nicht nötig sein.«
»Wie kannst du da so sicher sein? Du hast nicht genügend Distanz zum Problem.«
Wade blickte ihn an. »Zephir wird das Virus nicht einsetzen … noch nicht.«
Jubel stieg auf, und Ron strahlte in die Runde, während sich seine Crew auf der Brücke versammelte.
Er klopfte Forlam auf die Schulter. »Behalte diesen Kurs bei, bis wir in sicherer Entfernung sind – zumindest zwei Kilometer – , und bringe uns dann wieder auf den ursprünglichen Kurs. Auf der anderen Seite der Insel hissen wir die Segel und schalten die Triebwerke ab.«
»Was, denkst du, wird Windtäuscher unternehmen? Wir haben sein Gesetz gebrochen.«
Ron tippte mit dem Finger auf die Komverbindung am Gürtel. »Ich habe ihn gefragt, ehe wir die Triebwerke anwarfen. Er plant nichts Drastisches – sondern wird sich nur überlegen, welche Geldstrafe er den Eignern des Schiffs aufbrummt. Ich muss Bloc irgendwann diese gute Nachricht ausrichten.«
»Kapitän Ron, ich denke, wir haben ein Problem«, meldete sich John Styx zu Wort, der derzeit an einer Funkkonsole in der Nähe arbeitete.
Kapitän Ron wandte sich ihm zu. »Was ist es? Ein Leck?«
»Nein, eine Nachricht des Hüters. Ich hätte sie früher entdeckt, falls ich nicht diese Konsole benutzt hätte, um die Computersysteme des Schiffs zu knacken.« Styx deutete auf die vorderen Brückenfenster. »Ja, man sieht es jetzt.« Er drückte eine Sensortafel auf der Konsole, und die Stimme des Hüters wurde vernehmbar:
»Ebulans Raumschiff hat, gesteuert von seinem inzwischen erwachsenen
Weitere Kostenlose Bücher