Die große Flut
mehr viele. Die meisten wurden von einem Mantichora gefressen oder sind geflohen.« Noah schüttelte den Kopf. »Es sind schwere Zeiten für Mammuts. Auf uns alle kommen schwere Zeiten zu. So sprach El zu mir.«
Dennys runzelte die Stirn. Diese vorsintflutliche Welt war kaum zu begreifen. Mammuts. Das Mantichora. Virtuelle Einhörner. Seraphim und... »Wer sind die Nephilim?«
Noah zupfte an seinem Bart. »Wer weiß? Sie sind groß und haben Flügel. Wir sehen sie aber nur selten fliegen. Sie sagen, sie kämen von El und seien uns wohlgesonnen. Wir wissen es nicht. Es geht das Gerücht um, sie glichen den Sternschnuppen. Vielleicht sind sie Sterne, die aus dem Himmel geschleudert wurden.«
»Auch die Seraphim?«
»Wir wissen es nicht. Wir wissen nicht, wie es kommt, daß ihre Haut jung bleibt und nicht von der Sonne gebräunt wird. Mag sein, sie sind zeitlos – und älter als mein Großvater Methuselach.«
Alt wie Methu ... Methusalem. Methuselach. Das alles klang vertraut. Irgendwie vertraut. Aber Anah und Mahlah? Anah war Hams rothaarige Frau. Und Mahlah war Yaliths Schwester und offenbar nur selten daheim. Wer waren diese seltsamen Menschen, an deren Namen in der
Bibel er sich nicht erinnern konnte? Er brauchte Sandy. Sandy wußte vielleicht, wie sie der drohenden Sintflut entkommen konnten. Wieviel hatte jener El Noah verraten?
Noah sagte: »El sprach von der großen Endzeit. Vielleicht wird es ein Erdbeben geben.
»Ein Erdbeben?«
Noah zuckte die Schultern. »Els Ratschluß bleibt uns verborgen.«
»Euer El – ist er gut?«
»Gut und den Menschen wohlgesonnen. Geduldig. Schwer zu erzürnen und rasch bereit, zu vergeben.«
»Und doch glaubst du, daß er euch alle ausradieren will?«
»Daß er – was will?«
»Ein großes Unglück über euch senden, das keiner überlebt. «
Noah schüttelte den Kopf. »Es ist so, wie El sagt: Die Herzen der Menschen sind böse geworden.«
»Das trifft nicht auf alle zu«, widersprach Dennys. »Nicht auf Yalith. Nicht auf O-holi-bamah und Japheth. Ohne sie wäre ich gestorben.«
»Und ohne mein Weib Matred«, fügte Noah hinzu. »Ihrer Fürsprache verdankst du, daß ich dich nicht aus meinem Zelt gejagt habe.« Er musterte Dennys nachdenklich. »Manchmal frage ich mich, warum ich den Wünschen der Frauen nachgebe. Sie wollen dich unbedingt behalten. Dich und den anderen Riesen.«
»Wann kann ich Sandy sehen?«
»Ich sagte dir doch, er ist im Zelt meines Vaters.« Noah ließ keinen Zweifel daran, daß die Sache für ihn damit erledigt war.
»Hast du Sandy gesehen?«
»Ich betrete das Zelt meines Vaters nicht.«
»Warum nicht?«
»Er ist ein halsstarriger alter Mann, der darauf besteht, allein in seinem Zelt zu hausen, und der auch die Brunnen allein für sich besitzt. Die besten Brunnen der Oase.« »Und warum gehst du nicht zu ihm?«
»Er ist alt. Er wird bald sterben. Er kann seine Ernte nicht mehr bestellen.«
»Dann hilf ihm eben!«
»Ich habe alle Hände voll damit zu tun, meine Herden und meine Weingärten zu versorgen.«
»Aber er ist doch dein Vater!«
»Er sollte nicht so halsstarrig sein.«
»Hör zu! Er hat ganz allein Sandy gepflegt. Ihm nahm keine Yalith oder O-holi-bamah die Mühe ab. Nur das Mammut ist bei ihm.«
»Eine der Frauen bringt ihm jeden Abend das Nachtlicht.«
»Deinem Vater!« protestierte Dennys. »Er würde sich bestimmt freuen, wenn auch du es ihm einmal brächtest.«
Ehe Noah seinem Zorn Luft machen konnte, schob sich die Zeltklappe auf, und ein Pelikan watschelte herein, gefolgt von Yalith. Ein Pelikan in der Wüste, das war ein ungewöhnlicher Anblick. Er klappte den großen Schnabel auf und ließ frisches Wasser in die Schüssel rinnen.
»He!« rief Dennys. »Der war schon einmal hier. Stimmt‘s?«
»Es geht ihm besser«, sagte Yalith froh. »Er erinnert sich.« Sie tauchte ein Tuch in die Schüssel, kniete sich an Dennys‘ Lager und kühlte die losen Hautfetzen. Das tat gut. »Du bist sie bald los«, sagte sie.
Dennys wies auf den Pelikan. »Woher nimmt er das Wasser?«
»Von Großvater Lamech. Der Pelikan hat die Güte, es zu bringen. Er fliegt über die Oase zu uns.«
Der Vogel nickte Dennys gemessen zu.
»Hast du einen Namen?«
Der Vogel blinzelte.
Yalith sagte: »Wenn er ein Pelikan ist, nennen wir ihn meist Pelikan.«
»Wenn er ein Pelikan ist? Was sonst sollte er sein?«
»Verwirre den jungen Riesen nicht«, mahnte Noah.
»Als ob das noch möglich wäre«, seufzte Dennys.
Der Pelikan breitete
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