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Die große Flut

Die große Flut

Titel: Die große Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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gerissen.
    »Jetzt!« Und endlich faßte Matred zwischen Mahlahs gespreizte Beine und half, das Kind herauszuholen, das aus dem geschundenen Leib drängte. Der Kopf des Neugeborenen war so groß, daß Yalith Mahlahs Fleisch platzen hörte.
    Matred hielt das Kleine hoch, klopfte ihm aufs Gesäß, Luft strömte in seine Lungen. Es weinte.
    Während Sandy bei Tiglah war, ging Dennys voll innerer Unruhe zu Großvater Lamech und trat an sein Lager.
    »Mein Sohn?«
    »Ich bin es, Großvater. Dennys.«
    Die Runzelhand streckte sich ihm entgegen. Er nahm sie. Sie war kalt, leichenkalt.
    »Kann ich etwas für dich tun, Großvater?«
    Ein stilles Lächeln verklärte das Gesicht des Alten. »El hat gesprochen.«
    Dennys wartete.
    Lamech rang nach Luft, sammelte Kraft für das, was er sagen wollte. »Es ist nicht alles verloren. O mein Sohn Den, El hat seinen Entschluß bereut. Während du im Garten warst, sprach er zu mir. Noch nie vernahm ich seine Stimme hier im Zelt. O mein Sohn Den, mein Sohn, mein Sohn! Noah wird verschont bleiben. Noah und seine Familie. So sprach El.«
    »Wovor bleiben sie verschont?«
    Lamechs Hand zitterte. »Wasser. El sprach von der großen Flut. Das ist mir unverständlich. Aber es betrübt mich nicht. Mein Sohn ist gerettet. Das allein zählt.« Plötzlich krallte er seine Finger in Dennys‘ Hand. »Doch du, mein Sohn? Was wird dir widerfahren? Ich – ich weiß es nicht.«
    »Ich auch nicht, Großvater.« Dennys massierte die knochigen Finger des Alten, bis ein wenig Wärme in sie zurückkehrte.
    Ugiel starrte auf das Neugeborene hinunter, das zwischen Mahlahs Brüsten lag. Die junge Mutter war bleich und erschöpft, aber glücklich.
    Die drei Frauen, die bei der Geburt geholfen hatten, waren kaum weniger erschöpft als Mahlah. O-holi-bamah hatte tiefe Ringe unter den Augen; ihre Wangen waren aschfahl. Sie allein hatte das Kind abgenabelt, die Nachgeburt versorgt, irgendwie den Blutstrom gestillt und damit Mahlahs Leben gerettet. Ihre Hände und Arme waren rot von Mahlahs Blut.
    Ugiel scherte sich nicht um die anderen. Er starrte nur das Kind an. Es hatte einen Schopf schwarzer Haare, schwarz wie die seiner Mutter. Vorsichtig drehte er es auf den Rücken, tastete den Flaum zwischen den Schulterblättern ab.
    »Ich bin sehr zufrieden«, sagte er.
    »Du hast auch allen Grund dazu«, erwiderte Matred scharf. »Es hat sie beinah umgebracht. Ohne O-holi-bamah wäre sie gestorben.« Sie wandte sich von Ugiel ab und flößte
    Mahlah den stärkenden Brei ein, den Elisheba bereitet hatte. »Geht nach Hause«, befahl sie Yalith und O-holi- bamah. »Eßt und ruht euch aus. Ich bleibe bei Mahlah, bis Elisheba kommt.«
    Auch O-holi-bamah übersah Ugiel geflissentlich. »Mahlah braucht in den nächsten Tagen viel Pflege. Ruft mich, falls sie wieder zu bluten beginnen sollte.«
    »Das werde ich tun«, versprach Matred.
    Ugiel beugte sich über Mahlah und strich mit seinem langgliedrigen Finger dem Kleinen über Augen und Nase.
    »Ich bin sehr zufrieden«, sagte er abermals.
    O-holi-bamah und Yalith saßen im großen Zelt und tranken die Suppe, die Elisheba ihnen zubereitet hatte.
    O-holi-bamah sagte leise: »Es war ihm gleichgültig, ob Mahlah überleben würde. Ihm ging es nur um das Kind.«
    Noah und Japheth traten ein. Ihre Arme und Hände waren von Traubensaft so befleckt, wie zuvor O-holi- bamahs Arme und Hände von Mahlahs Blut. Japheth umarmte seine Frau. Yalith begrüßte ihren Vater: »Mahlah hat ihr Kind geboren! Die beiden sind wohlauf!«
    Noah drückte seine Jüngste an sich, ohne ihren Worten Beachtung zu schenken.
    »Hörst du nicht, Vater? Mahlahs Qual ist endlich vorbei!«
    »Es ist gut«, sagte Noah bedrückt. »Wir waren in Sorge um sie.«
    »Was hast du?« fragte O-holi-bamah. »Gibt es schlechte Nachricht?«
    Japheths Arm schloß sich fester um seine Frau.
    Noah zog Yalith zu sich heran. »El hat gesprochen. Seltsame Worte.«
    »Eine gute Botschaft?« fragte Yalith.
    »Seltsame Worte«, wiederholte Noah. »Ich kann sie nicht deuten. Er fordert ungewöhnliche Dinge von mir. Das verstehe ich nicht. Große Veränderungen stehen bevor. Schreckliche Veränderungen.«»Japheth…« flüsterte O-holi-bamah erschrocken.
    Yalith schauderte sogar im Schutz von Noahs starkem Arm. Dennoch sagte sie: »Freue dich mit uns, Vater, daß Mahlah die Geburt heil überstanden hat.«
    Noah preßte seinen Mund auf ihr Haar. »Wir haben für Mahlah kein Hochzeitsfest gegeben. Das kann Matred nicht verwinden. Ich

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