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Die große Zukunft des Buches

Titel: Die große Zukunft des Buches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco , Jean-Claude Carrière
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Großen und Ganzen noch dasselbe, wenigstens im Prinzip.
    Hinzu kommt, dass heute wesentlich mehr Frauen eine höhere Bildung anstreben und dass sie mit den Männern um eine Anzahl von Stellen konkurrieren, die in den traditionell begehrten Sektoren nicht nennenswert zugenommen hat. Dennoch, auch wenn Handwerksberufe bei den Massen keine Begeisterung hervorrufen, fördern sie doch immer wieder Begabungen. Vor einigen Jahren war ich Mitglied einer Jury, die einen Preis an die besten Kandidaten im sogenannten Kunsthandwerk verleihen sollte. Ich war verblüfft zu sehen, welche Materialien diese Leute verwendeten, welche Techniken sie beherrschten und wieviel Talent da war. In diesem Bereich ist jedenfalls nichts verloren.
     
    U. E.: Ja, in unseren Gesellschaften, wo sich das Problem der Arbeitslosigkeit für alle stellt, entdecken einige junge Leute die Handwerksberufe neu. Das ist eine Tendenz, die sich in Italien wie in Frankreich und zweifellos auch in anderen westlichen Ländern bemerkbar macht. Wenn ich zufällig solchen neuen Handwerkern begegne und sie sehen meinen Namen auf der Kreditkarte, stellt sich öfter heraus, dass sie einige meiner Bücher gelesen haben. Vor fünfzig Jahren hätten dieselben Handwerker, da sie keine höhere Schulausbildung hatten, solche Bücher wahrscheinlich nicht gelesen. Diese hier haben also eine höhere Schule besucht und abgeschlossen, bevor sie einen Handwerksberuf ergriffen.
    Ein Freund erzählte mir, wie er eines Tages an der Princeton University in New York gemeinsam mit einem Philosophenkollegenein Taxi nahm. Den Schilderungen meines Freundes zufolge war der Fahrer ein Bär, das struppige Haar fiel ihm ins Gesicht. Er fing ein Gespräch an, um herauszufinden, mit wem er es zu tun hatte. Die Freunde erklärten also, dass sie in Princeton unterrichteten. Aber der Fahrer wollte es genauer wissen. Etwas gereizt erklärte der Kollege, er beschäftige sich mit der transzendentalen Wahrnehmung durch die epoché …, da unterbrach ihn der Fahrer und sagte: »You mean Husserl, isn’t it?«
    Das war natürlich ein Philosophiestudent, der als taxi driver jobbte, um sein Studium zu finanzieren. Damals freilich war ein Taxifahrer, der Husserl kannte, ein ausgesprochen seltenes Tier. Heute können Sie an einen Taxifahrer geraten, der Ihnen klassische Musik vorspielt und Sie über Ihr letztes Werk zur Semiotik befragt. Das ist nicht völlig unrealistisch.
     
    J.-C. C.: Insgesamt sind das doch gute Nachrichten, oder? Mir scheint sogar, als könnte die ökologische Bedrohung, die durchaus nicht eingebildet ist – ganz und gar nicht –, unsere Intelligenz anstacheln und uns davor bewahren, zu tief und zu fest zu schlafen.
     
    U. E.: Wir können auf die Fortschritte in der allgemeinen Bildung hinweisen, sie sind unübersehbar und betreffen soziale Schichten, die traditionellerweise davon ausgeschlossen waren. Aber gleichzeitig ist da auch mehr Dummheit. Wenn sie schwiegen, waren die Bauern von einst doch nicht dumm. Gebildet zu sein ist nicht notwendig gleichbedeutend mit intelligent sein. Nein. Aber heutzutage will sich jedermann Gehör verschaffen, und in gewissen Fällen bringen die Leute dann fatalerweise nur ihre Dummheit zu Gehör.Sagen wir also, die Dummheit von einst hielt sich zurück, während sie heutzutage laut hinausposaunt wird.
    Gleichzeitig ist diese Trennlinie zwischen Intelligenz und Dummheit mit Vorsicht zu behandeln. Wenn ich eine Glühbirne auswechseln muss, bin ich ein kompletter Idiot. Gibt es bei Ihnen in Frankreich auch Witze über das Thema »Wie viele … braucht man, um eine Glühbirne auszuwechseln«? Nein? Wir in Italien haben eine erkleckliche Menge davon. Früher handelten sie von den Einwohnern der Stadt Cuneo, einer Stadt im Piemont. »Wie viele Leute aus Cuneo braucht man, um eine Glühbirne auszuwechseln?« Die Antwort war fünf: Einen, der die Glühbirne festhält, und vier, die den Tisch drehen. Aber die Geschichte gibt es auch in den USA. »Wie viele Kalifornier braucht man, um eine Glühbirne auszuwechseln? – Fünfzehn: Einen, der die Birne wechselt, und vierzehn, die an der Erfahrung teilnehmen.«
     
    J.-C. C.: Sie sprechen von den Leuten aus Cuneo. Cuneo liegt im Norden Italiens. Ich habe den Eindruck, in jedem Volk sind die besonders dummen Leute immer im Norden.
     
    U. E.: Natürlich, denn im Norden gibt es die meisten Menschen, die an einem Kropf leiden, im Norden sind die Berge, die für Abgeschiedenheit stehen, aus dem Norden sind auch

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