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Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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sah den Infusionsständer neben dem Bett und die Schläuche, die mit Klebestreifen an ihre Hand geklebt waren. Sie sah verwirrt zur Infusionsflasche und auf das weiße Krankenhaushemd, das sie anhatte.
    – Warum habe ich mich denn schon ins Bett gelegt? sagte sie und sah Annick hilflos an. Sie versuchte, sich im Bett aufzusetzen, sank aber sofort auf die Kissen zurück, als habe diese kleine Anstrengung zu viel Kraft gekostet. Sie schlug die Augen wieder zu.
    Annick, die auf den weißen Knopf auf dem Nachttisch gedrückt hatte, als Nathalie Bonnaire die Augen aufschlug, sah frustriert, wie sie wieder in die Nebel verschwand.
    – Sie wacht wohl bald wieder auf, sagte die Krankenschwester, die in der Tür aufgetaucht war. Wie klar wirkte sie? Hat sie etwas gesagt?
    – Sie hat mich wiedererkannt, sagte Annick.
    – Das klingt ja gut, sagte die Schwester und verschwand, um einen Arzt zu rufen.
    Noch bevor sie zurückgekommen war, schlug die Journalistin die Augen wieder auf.
    – Annick Dardenne, sagte sie und runzelte die Stirn, Sie sollten zu mir kommen …
    – Und das schwarze Notizbuch abholen, sagte Annick ermunternd. Sie hoffte, sie könnte von Nathalie Bonnaire noch etwas erfahren, bevor ein übereifriger Arzt kam und ihr sagte, sie solle aufhören, die Patientin unter Druck zu setzen.
    – Was für ein schwarzes Buch?
    – Fabiens, sagte Annick.
    Das Gesicht der Journalistin hellte sich auf.
    – Fabien, ist er hier?
    Dann verfinsterte sich ihr Gesicht.
    – Nein, er ist tot, oder? Daran erinnere ich mich jetzt. Fabien ist tot. Ich habe sein schwarzes Buch unter der Matratze gefunden.
    – Und was stand drin? fragte Annick eilig. Sie mußte sich jetzt beeilen, ihr war so, als hörte sie Schritte im Korridor.
    – Das weiß ich nicht mehr, sagte Nathalie und schloß die Augen.
    Annick fluchte innerlich. Jetzt war es gelaufen. Aber bevor der Arzt in den Raum kam, schlug die junge Frau im Bett die Augen auf und sah Annick direkt an.
    – Aber mein Diktiergerät, sagte sie, ich habe es in mein Diktiergerät gesprochen.
    Sie kicherte.
    – Ich habe es in der Teedose versteckt, als Sie anriefen. Damit Sie es nicht finden. Ich wollte selbst etwas nachforschen.
    Annick fuhr mit dem Auto auf Nathalie Bonnaires Hof dicht an den Eingang. Der Hof war dunkel und erschreckend, mit seinen Baugerüsten und flatternden Planen, wo sich alles mögliche verbergen konnte. Sie tippte den Türcode ein und stieg über das Polizeiband, das noch da war. Der Vermieter hatte wenigstens die zerbrochene Lampe ausgetauscht, und scharfes Licht erhellte die dunklen Ecken der Eingangshalle, als sie auf den Schalter drückte. Genau wie beim vorigen Mal zog sie ihre Dienstwaffe, bevor sie die Treppe hinaufging. Nicht daß es einen Grund gegeben hätte zu glauben, daß der, der Nathalie Bonnaire überfallen hatte, zurückkommen würde. Er hatte das schwarze Notizbuch bekommen, und das war es, worauf er aus gewesen war.
    Aber Annick verschloß und verriegelte dennoch die Tür, als sie sich mit Nathalie Bonnaires Schlüssel Zutritt verschafft hatte, und zog sorgfältig in der ganzen Wohnung die Gardinen zu, bevor sie die Lampe in der Küche anmachte.
    »Teedose«, hatte die Journalistin gesagt. Auf dem minimalen Küchentisch am Fenster stand eine einsame Teetasse, noch mit etwas Flüssigkeit auf dem Boden, als hätte Nathalie dort gesessen und Tee getrunken, als es an der Tür klingelte. Annick versuchte, sich die Szene vorzustellen. Die Journalistin hatte das Notizbuch des Cousins in der Schlafcouch gefunden und es zuerst selbst durchgelesen. Sie hatte zu Martine Poirot gesagt, es sei schwer gewesen, Fabiens Gekrakel zu entziffern. Dann hatte sie im Justizpalast angerufen, aber dann … genau, so mußte es sein, dann war sie darauf gekommen, daß sie Fabiens Notizen nicht hergeben wollte, ohne die Informationen selbst festzuhalten. Und anstatt das »Gekrakel« des Cousins abzuschreiben, hatte sie den Text in ein Diktiergerät gesprochen, während sie dasaß und Tee trank. Als es an der Tür klingelte, hatte sie geglaubt, es sei Annick, die sie eingeladen hatte, um das Notizbuch durchzugehen. Und um zu verbergen, daß sie auf der Basis von Fabiens Entdeckungen selbst hatte ermitteln wollen, hatte sie das Diktiergerät an der erstbesten Stelle versteckt.
    Auf einem offenen Regal oberhalb der Bartheke, die die Küchenabteilung vom Wohnzimmer trennte, standen drei farbenfrohe Teedosen aus Blech, säuberlich beschriftet mit »Lapsang Souchong«,

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