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Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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totzufahren? Als ich diese Frage stellte, mußte ich an den Prozeß denken …
    Dominic erzählte, daß einer seiner Onkel an der Grube in Foch-les-Eaux gearbeitet hatte, aber nicht in der Schicht, die der Katastrophe zum Opfer gefallen war. Als Kind hatte Dominic am Küchentisch viele Diskussionen über das Grubenunglück gehört, und er erinnerte sich, daß sein Onkel beim Prozeß 1959 über die Sicherheitsroutinen in der Grube befragt worden und lange, bevor die Sache vor Gericht kam, schon dazu gehört worden war. Deshalb hatte Dominic jetzt im Justizpalast hereingeschaut und die Akten vom Prozeß über die Grubenkatastrophe herausgezogen. Anstatt mehrere tausend Seiten Voruntersuchung durchzulesen, hatte er die Namen der Anwälte auf der Klägerseite herausgesucht.
    – Und Bingo, da stand Justins Name!
    Dominic lächelte Willemart zu.
    – Kennen Sie sich schon lange? fragte Martine und hielt unfein den Teller schräg, um die letzten Suppentropfen mit dem Löffel aufkratzen zu können.
    Willemart lächelte zu Dominic zurück.
    – Ich glaube kaum, daß wir uns vorher schon einmal begegnet sind, sagte er, aber wir waren ja beide enge Freunde von Jeanne Demaret, und deshalb kam es uns beiden fast so vor, als wären wir schon mehrere Jahre miteinander bekannt.
    Justin Willemart hatte als assistierender Jurist bei einem der Anwälte gearbeitet, der Klagevertreter der Angehörigen der umgekommenen Grubenarbeiter war, und hatte viel Zeit darauf verwendet, vor dem Prozeß Zeugen zu befragen.
    – Eine zentrale Frage war, sagte er, ob die verantwortlichen Chefs eine Warnung vor der Gefahr von Grubengas in den Stollen bekommen hatten. Ein paar Jahre früher gab es einen Prozeß in Liège über das Grubenunglück in Many 1953, und dort wurden die verantwortlichen Chefs zu Gefängnisstrafen verurteilt. Aber da konnte man beweisen, daß sie vor der Gefahr von Grubengasexplosionen gewarnt worden waren. Und viele der Arbeiter, die nicht zu der betroffenen Schicht gehört hatten, erzählten uns, daß ihre Lampen in der Woche vor der Katastrophe geflackert hatten, ein Zeichen dafür, daß es Grubengas dort gab. Hatten sie das gemeldet? Nein, sagten alle, das hatte sowieso keinen Sinn. Und es gab keinerlei Meldesystem, nichts, um Beinahunfälle und Warnsignale weiterzuverfolgen. Es ging das Gerücht, daß einige Arbeiter einer Schicht eine Sitzung abgehalten und dabei ein Schreiben aufgesetzt hätten, das sie eingereicht hatten. Aber wenn es ein solches Papier gab, wurde es nie gefunden, und die, die die Sitzung abgehalten und das Schreiben verfaßt hatten, waren genau die, die in der Unglücksschicht arbeiteten. Die meisten glaubten, daß die Sitzung, wenn sie denn stattgefunden hatte, zu Hausebei Angelo Paolini, der so etwas wie ein Führertyp war, abgehalten worden war. Deshalb versuchte ich, seine Witwe, Giovanna, zu erreichen, um zu hören, ob sie etwas von dieser Sitzung wußte. Das war schwer, sie hatte natürlich kein Telefon, und an sie zu schreiben hatte keinen Sinn, denn sie konnte kaum lesen. Aber schließlich bekam ich heraus, wo sie arbeitete, und rief sie dort an. Es war ein Mittwoch, sie hatte montags frei, und wir beschlossen, daß wir uns am Montag darauf sehen wollten. Aber am selben Freitag wurde sie totgefahren.
    Annick machte ihre zweite Fahrt zum Krankenhaus, nachdem sie am Schreibtisch ein Sandwich geknabbert hatte. Sie hatte mit Christian telefoniert, der Serge Boissard beauftragt hatte zu versuchen, in Erfahrung zu bringen, was die Brüder Mazzeri getan hatten, als Nathalie Bonnaire überfallen und die tote Katze auf Martines Treppe gelegt wurde. Annick war darüber etwas enttäuscht, sie hätte sich gern selbst der Mazzeri-Spur gewidmet. Sie wußte, daß Christian sie schätzte, aber er neigte trotzdem dazu, alle harten Jobs Serge zu geben, während sie am Telefon sitzen oder, wie jetzt, verletzte junge Frauen im Krankenhaus besuchen mußte.
    Nathalie Bonnaire hatte jetzt Rosen auf den Wangen, und ihre Augen bewegten sich unter den Lidern, als ob sie träumte. Annick ließ sich mit einer Tasse Automatenkaffee in der Hand auf einem Stuhl an ihrem Bett nieder und versprach der Stationsschwester, das Personal zu rufen, falls etwas passierte.
    Sie brauchte nicht lange zu warten. Weniger als eine Stunde war vergangen, als Nathalie Bonnaire die Augen aufschlug. Annick war das erste, was sie sah.
    – Inspektor Dardenne, sagte sie und lächelte unsicher, wie gut, daß Sie da sind.
    Sie drehte den Kopf und

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