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Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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Wahrheit kreativ umzugehen. Annick war eine gute Lügnerin, eine Künstlerin darin, Halbwahrheiten zu benutzen, um anzudeuten und irrezuführen, aber auch gut darin, mit ehrlichem Blick und offenem Lächeln schlicht zu lügen.
    Und das hier war überhaupt nicht schwer, dachte sie zufrieden. Die Razzien gegen Berger und seine kommunalen Kumpane waren in den letzten Stunden die Spitzenmeldungen in den Radionachrichten gewesen, und sie konnte sich vorstellen, wie sich Spekulationen und Klatsch wie ein Flächenbrand von Stockwerk zu Stockwerk in den Büros von Forvil ausbreiteten.
    Es war zumindest klar, daß die Direktionssekretärin bei Forvil zuerst an die Überraschungscoups gegen Bergers Unternehmen dachte, als die Polizei anrief und nach Arnaud Morel fragte.
    – Ist es, sagte sie, ich meine, betrifft es … das, was heute passiert ist?
    – Ich kann nichts verraten, wie Sie verstehen werden, sagte Annick feierlich, aber Monsieur Morel ist wohl ziemlich genau im Bilde über Stéphane Bergers Aktivitäten und Geschäfte?
    – O ja, sagte die Sekretärin eifrig, er war ja von Anfang an skeptisch ihm gegenüber, und jetzt wird wohl jeder sehen, wie recht er hatte.
    – Ja, sagte Annick, nun ist es ja so, daß Berger verschwunden ist, und wir haben versucht zu verifizieren, was er vorige Woche Dienstag gemacht hat, besonders am Nachmittag,und wir wüßten gern, ob Monsieur Morel möglicherweise mit ihm Kontakt gehabt haben kann?
    Diese Frage enthielt tatsächlich keine einzige Lüge, dachte sie zufrieden.
    Die Sekretärin war vorbildlich unargwöhnisch und bereit zu helfen, aber leider hatte sie keinen totalen Überblick über den Kalender des Aufsichtsratsvorsitzenden. Sie notierte nur, wann er bei Forvil anwesend war und welche Sitzungen er dann hatte, an den übrigen Tagen zog sie einen Strich durch den Kalender.
    – Aber sprechen Sie mit seiner Sekretärin in Brüssel, sagte sie, das ist Madame Vanaker, sie kennt all seine Termine und Aktivitäten.
    Annick rief also Morels Brüsseler Büro an und landete, nachdem sie ein paar Sekretärinnen auf unterer Ebene hinter sich gelassen hatte, bei der offenbar gefürchteten Louise Vanaker. Sie klang wie ein richtiger Drachen, besonders als sie hörte, daß Annick von der Polizei war. Aber sogar die schreckeinflößende Madame Vanaker wurde weich, als Annick bluffte und sagte, daß sie ganz einfach wissen wollte, was Stéphane Berger am Dienstag gemacht hatte.
    – Ja, sagte sie, es ist ja erschreckend, daß solche Personen in der Wirtschaft Einfluß gewinnen können. Aber ich glaube nicht, daß ihn Arnaud am Dienstag getroffen hat, ich habe den Kalender der vorigen Woche aufgeschlagen vor mir. Sie hätten sich bei einem Seminar mitten am Tag sehen sollen, aber davon ist Berger im letzten Augenblick abgesprungen, ein unerhört verantwortungsloses Verhalten, muß ich sagen, aber so typisch für ihn. Am Nachmittag war Arnaud dann auf einer Aufsichtsratssitzung in Genk, aber ich glaube nicht, daß er Berger dort getroffen haben kann, Berger sitzt nicht im Aufsichtsrat.
    – Aha, in Genk, sagte Annick und versuchte, nicht allzu interessiert zu klingen, war er den ganzen Abend da, kann er Berger nach der Sitzung getroffen haben?
    – Ich glaube, er hat in Genk übernachtet, sagte Louise Vanaker, genau, er schickte seinen Chauffeur nach Hause und sagte, er würde in ein Hotel gehen.
    Sie lachte nachsichtig, beinah zärtlich.
    – Er wollte wohl jemanden treffen. Paul, der Chauffeur, hatte das Gefühl, daß etwas im Gange war. Ja, ich will nicht mehr sagen, aber Männer haben ihre Bedürfnisse, stimmt’s, Inspektor Dardenne, Sie wissen, wie das ist.
    O ja, dachte Annick grimmig, sie wußte, wie das ist.
    – Der arrogante Scheißkerl, sagte Stéphane Berger, der kleine Ingenieursarsch in seinem schicken Anzug, er nahm unser Papier und las es, und dann sah er mich an, als wäre ich nicht den Kohlenstaub unter seinen Schuhsohlen wert, und dann nahm er seinen Stempel und drückte ihn drauf, »Maßnahmen abgelehnt«, und dann legte er es in einen Korb, den er auf dem Schreibtisch hatte, und grinste. Inzwischen weiß ich, daß die Chefs der Grube unter Druck waren, sie sollte in ein paar Monaten geschlossen werden, und sie sollten bis dahin jeden einzelnen Franc aus ihr rausquetschen, bis zum letzten Blutstropfen. Aber Arnaud Morel zeigte gern seine Macht, er zeigte gern, daß wir in seinen Augen Dreck waren. Als dann die Grube explodierte, Sie wissen wohl schon, daß ich mit dem

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