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Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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das letzte unvollständig zu sein schien. Alle drei Kanten waren offenbar abgerissen.
    – Wir hielten es für das beste, es Ihnen zu zeigen, sagte Annick, Sie sind ja sozusagen unsere Expertin für Schwedisch.
    Sie betrachteten das Papier zusammen mit Julie, die gerade hereingekommen war.
    – Fabien hat einen Artikel aus einer Zeitung gerissen, sagte Martine, was meint ihr? Deshalb haben alle drei Seiten des Papiers Reißkanten.
    – Genau, sagte Annick eifrig, und er hat ihn dem Mörder gezeigt …
    – … der ihm ein Ding in den Nacken verpaßte und ihm das Papier aus der Hand riß, fuhr Julie fort.
    – Und weil die Kanten schon ungleichmäßig waren und weil es eine fremde Sprache war, merkte der Mörder nicht, daß ein Stück fehlte, schloß Annick triumphierend.
    – Was darauf hindeutet, daß der Mörder kein Schwede war, sagte Martine, das ist ja großartig! Da haben wir schon acht Millionen Menschen von den Ermittlungen ausgeschlossen.
    – Aber was steht da? fragte Julie.
    Sie und Annick sahen Martine erwartungsvoll an.
    – Ich weiß es nicht, gab sie verlegen zu, ich kann nur wenige Worte Schwedisch, und von denen steht hier keines. Aber die Worte in der zweiten Zeile deuten auf einen Eigennamen hin, oder? Seht ihr, da sind zwei versale Anfangsbuchstaben. Ich muß wohl Thomas um Rat fragen.
    Sie schlug ihr Adreßbuch auf und suchte die Nummer des Pfarrhofs in Granåker heraus. Eine unbekannte Frauenstimme meldete sich. Martine schaffte es, auf schwedisch zu sagen, daß sie Thomas Héger sprechen wolle, aber verstand nicht ein Wort von dem schwedischen Wortschwall, der sich aus dem Hörer ergoß.
    – Madame Lidelius, sagte sie hilflos und ohne größere Hoffnungen. Thomas’ Großmutter war ja krank. Aber zu ihrem Erstaunen hörte sie nach kurzer Zeit Greta Lidelius’ spröde Stimme im Hörer.
    – Guten Tag, Madame Greta, sagte sie, hier ist Martine, Thomas’ Frau, ich rufe aus Villette an.
    – Martine, Liebes, wie reizend, sagte Greta Lidelius warm in ihrem gepflegten und etwas altertümlichen Französisch. Sie klang viel munterer, als Martine erwartet hatte.
    – Wie geht es dir? Thomas ist leider im Augenblick nicht hier, er und Sophie sind nach Hammarås gefahren. Kann ich dir mit etwas helfen?
    Martine zögerte. Sie hatte Greta Lidelius die drei Male, die sie sie seit ihrer Heirat mit Thomas gesehen hatte, sehr gern gemocht, und sie wollte nicht einer kranken Fünfundneunzigjährigen einen Schreck einjagen, indem sie anfing, über einen Mordfall zu reden. Aber sie entschloß sich trotzdem, ihr Problem zu erklären.
    – Jetzt sehen wir mal, sagte Greta Lidelius und klang ganz aufgeräumt, in der oberen Zeile hat sicher gestanden »Von links«, obwohl der Text mitten in »links« abgerissen ist. In der unteren Zeile steht »Tore«, das ist ein Name, und dann »Myrå«, das ist der Anfang eines Nachnamens. Und jetzt, Martine, Liebes, kannst du dich freuen, daß du mit Oma Lidelius und nicht mit deinem feschen Mann geredet hast, denn ich weiß, was das für ein Name ist, verstehst du? Ich kenne Tore Myråsen, er war viele Jahre lang Gewerkschaftsvorsitzender der Bergarbeiter in Hanaberget. Er ist jetzt Rentner, aber als die Grube vor ein paar Wochen für immer stillgelegt wurde, gab es in den Zeitungen viele Reportagen und Bilder, auf denen auch alte Leute wie Tore zu sehen waren. Dein Papier stammt sicher aus einer solchen Reportage.
    Martine fuhr vor Erregung fast vom Stuhl hoch. Fabien Lenormands toter Körper hatte in einem Prahm, beladen mit Eisen aus Hanaberget, gelegen, und sein Mörder hatte ihm einen Zeitungsartikel, der von der Grube bei Hanaberget gehandelt hatte, weggenommen. Das zeigte, das mußte zeigen, daß es kein Zufall war, daß der Körper des jungen Journalisten in dem Erzprahm gefunden worden war und daß der Mord mit etwas zusammenhing, das er gerade untersuchte.
    Sie bedankte sich eilig bei Greta Lidelius und legte den Hörer auf, nachdem sie ein paar verspätete Fragen nach der Gesundheit der alten Dame gestellt hatte.
    Annick und Julie hörten eifrig zu, als Martine erzählte, was sie erfahren hatte.
    – Es muß eine Bildunterschrift sein, sagte sie, oder? »Von links« klingt danach. Und das ist logisch – Fabien Lenormand konnte sicher kein Schwedisch, aber mit einem Bild konnte er etwas anfangen. Es war vermutlich ein Bild mit Bildunterschrift, das er aus einer schwedischen Zeitung gerissen hat.
    – So ein Gruppenbild, sagte Annick, »die Bergarbeiter feiern das

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