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Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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nach Hanaberget, er bezirzte Großmutter und Sophie und die ganze Gegend, scheint es, bis er sich1961 mit der Kasse des Folkets-Hus-Vereins an einen unbekannten Ort absetzte. Aber was hat er mit deiner Untersuchung zu tun?
    Martine erklärte eilig, und Thomas versuchte sich an alles zu erinnern, was Sophie und Tore Myråsen von Istvan Juhász erzählt hatten.
    – Das Alter scheint zu stimmen, er durfte Anfang 1957 anfangen, unter Tage zu arbeiten, also wurde er da achtzehn. Und, Martine, er sprach fließend Französisch, er sprach mit Großmutter immer Französisch!
    Merkwürdig, daß die Spuren in ihren beiden Morduntersuchungen nach Schweden und in die Gegend um Granåker führten, dachte Martine. Die Frau, die vor dem Bahnhof erschossen worden war, kam ja auch daher.
    – Kennst du zufällig eine Birgitta Maria Matsson, die in Granåker geboren ist? fragte sie, eigentlich nur der Ordnung halber.
    – Birgitta, sagte Thomas fröhlich, hat sie sich auch bei dir gemeldet? Oder hat Tony Deblauwe mit ihr geredet?
    Es war seltsam, wie schnell sich die Temperatur im Körper ändern konnte. Ebenso warm, wie Martine zuerst wurde, als sie Thomas’ Stimme hörte, so kalt wurde ihr, als er von der Frau sprach, die tot in der Leichenhalle von Villette lag, als wäre diese ein Mensch gewesen, den er kannte und mochte.
    – Nein, ich habe nicht mit ihr geredet, sagte sie. Sie hörte selbst, daß ihre Stimme merkwürdig klang.
    – Martine, sagte Thomas, was ist los? Was ist passiert?
    – Birgitta Maria Matsson, sagte sie, sie ist tot. Sie wurde heute morgen auf der Place de la Gare erschossen.
    Sophie war allein im Pfarrhof. Sie hatte am Morgen Thomas zum Zug gefahren und danach bei ihrer Großmutter im Hammarås lasarett hineingeschaut. Greta wirkte munter, aber die Ärzte wollten sie ein paar Tage dabehalten, um zu sehen, ob die neuen Medikamente richtig eingestellt waren, und Sophie kehrte ohne Gesellschaft nach Granåker zurück.
    Eigentlich hatte sie vorgehabt zu arbeiten, sie hatte eine Idee für eine neue Inszenierung von »Othello«, mit deren Entwicklung sie gerade begonnen hatte und die sie mit der gleichen kribbelnden Erwartung erfüllte wie eine neue Verliebtheit. Aber auf einen Impuls hin ging sie zuerst auf den Dachboden des Pfarrhofs und suchte die alten Nummern der Illustrierten Klassiker heraus, die dort in einer Bananenkiste lagen, säuberlich mit Schnüren zusammengebunden. Ouidas »Unter zwei Fahnen« lag in einem der Bündel zuoberst. Sie zog das Heft heraus und nahm es mit in die Küche, wo sie sich mit einer Tasse übriggebliebenem Frühstückskaffee niederließ, den sie auf dem Herd in einer Kasserolle gewärmt hatte. Er schmeckte ziemlich eklig.
    Die Umschlagabbildung mit der Kavallerieschlacht in der Wüste führte sie sofort zurück zum Garten des Pfarrhofs im Sommer 1957, als sie unter den knorrigen Apfelbäumen gesessen und Istvan geholfen hatte, sich durch die Geschichte über den englischen Edelmann zu buchstabieren, der die Schuld für das Verbrechen seines Bruders auf sich nimmt und in die Fremdenlegion eintritt. Der Gedanke daran, einfach von Familie und Freunden zu verschwinden, hatte die elfjährige Sophie fasziniert. Sie stellte sich vor, wie sie auf dem Heimweg nach Belgien in den falschen Zug steigen und ein ganz neues Leben anfangen würde. Sie konnte ihren Lebensunterhalt als Sängerin verdienen odersich vielleicht um kleine Kinder kümmern. Sie erinnerte sich, daß sie Istvan gefragt hatte, was er tun würde, finge er von vorn an.
    – Die Fremdenlegion ist wohl gut, sagte er, die stellen keine Fragen. Man muß nur irgendwie nach Marseille kommen.
    – Dürfen Mädchen in die Fremdenlegion? fragte sie, und Istvan sagte, daß er das nicht glaube. Dann hatten sie diskutiert, welchen Namen sie wählen sollten, wenn sie die Identität wechseln würden. Ouidas unerträglich edler Held, Bertie Louis Victor Cecil, hatte seine beiden Mittelnamen als Vor- und Nachname benutzt, aber Istvan hatte keinen Mittelnamen, und Sophie verabscheute ihren zweiten Namen Elisabeth. Istvan hatte gesagt, daß man seinen Namen in eine andere Sprache übersetzen könnte, so daß er zu einer Art Code würde. Da hatte Sophie ihren Großvater gefragt, ob ihr Vorname etwas bedeutete, und er hatte erklärt, daß er »Weisheit« bedeutete, »sagesse« auf französisch. Dann hatte sich Sophie mehrere Wochen vorgestellt, sie wäre die rätselhafte Sängerin Sagesse, vergöttert von den harten Fremdenlegionären.
    So

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