Die Günstlinge der Unterwelt - 5
Als sie in seiner Hand lag, verströmte sie ein warmes Licht, das sie gut gebrauchen konnten.
Richard bemerkte, daß es ein gutes Stück weiter in dem tunnelähnlichen Korridor noch andere solcher Kugeln in Halterungen gab. Die nächste glomm, weit entfernt, in einem kaum erkennbaren bläulichen grünen Schimmer. Wann immer sie eine von ihnen passierten, wurde sie heller, solange er sich ihnen näherte, und dunkler, sobald er sich mit der einen, die er mitgenommen hatte, wieder entfernte.
An einer Kreuzung stieß der Korridor auf einen breiteren, einladenderen Gang. Helles, rosafarbenes Gestein lief in einem Streifen entlang beider Seiten, und an verschiedenen Stellen taten sich Durchgänge zu höhlenartigen Kammern mit gepolsterten Bänken auf.
Er öffnete die breite Doppeltür, die in einen der großen Räume an diesem Gang führte, und entdeckte eine Bibliothek. Der Raum war mit seinem polierten Holzfußboden, den getäfelten Wänden und der weiß getünchten Decke geradezu gemütlich und freundlich. Neben den Regalreihen standen Tische und bequeme Stühle. Mit Glas versehene Fenster auf der gegenüberliegende Seite gingen auf Aydindril hinaus und verliehen dem Raum etwas Helles, Luftiges.
Er betrat die nächste höhlenartige Kammer auf diesem Flur und stellte fest, daß auch an sie eine Bibliothek angrenzte. Offenbar verlief der Flur parallel zur Vorderseite der Burg und längs zu einer ganzen Reihe von Bibliotheken. Als sie am Ende des Flures angekommen waren, hatten sie zwei weitere Dutzend dieser riesigen Bibliothekensäle entdeckt.
Richard hätte niemals für möglich gehalten, daß es so viele Bücher gab. Selbst die Gewölbekeller im Palast der Propheten kamen ihm, trotz der Unmenge von Büchern, die sie enthielten, nach dem Anblick so vieler Bände kläglich vor. Wo sollte er anfangen?
»Das muß es sein, wonach Ihr gesucht habt«, meinte sie.
Richard runzelte die Stirn. »Nein, ist es nicht. Ich weiß nicht warum, aber das ist es nicht. Es ist zu gewöhnlich.«
Berdine ging neben ihm her, während sie durch Korridore liefen und mehrere Stockwerke hinabstiegen, bis sie schließlich zu einem Treppenhaus kamen. Ihr Strafer baumelte, jederzeit bereit, an der Kette um ihr Handgelenk. Am unteren Ende der Treppe gab es einen reichverzierten, mit Blattgold überzogenen Türrahmen, und dahinter lag eine Kammer, die nicht gemauert, sondern in das rosafarbene Gestein gehauen war – früher vielleicht einmal eine Höhle, die man vergrößert hatte. An bestimmten Stellen, wo man das Gestein weggebrochen hatte, waren glänzende, glattgeschliffene Facetten zurückgeblieben. Beim Herausschlagen des Gesteins hatte man an einigen Stellen mächtige Säulen stehenlassen, um die niedrige, schroffe Decke zu stützen.
Am goldenen Türrahmen stieß Richard zum vierten Mal seit Betreten der Burg auf einen Schild, doch dieser war anders als die ersten drei. Die ersten drei hatten sich gleich angefühlt, dieser hier war mit den ersten nicht zu vergleichen. Als er seine Hand hindurch steckte, erglühte die senkrechte Fläche im Türrahmen rot, ohne daß es eine sichtbare Quelle gegeben hätte, und wo das rote Licht ihn berührte, kribbelte es nicht, sondern fühlte sich heiß an. Es war der unangenehmste Schild, den er je gespürt hatte. Schon fürchtete er, die Haare auf den Armen könnten versengt werden, was jedoch nicht geschah.
Richard zog den Arm zurück. »Dieser Schild hier ist anders. Wenn er unangenehmer ist, als Ihr zu ertragen bereit seid, müßt Ihr mich zurückhalten.« Er legte die Arme um Berdine, um sie besser schützen zu können. Sie hielt die Luft an. »Keine Angst. Ich bleibe sofort stehen, wenn Ihr es wollt.«
Sie nickte, und er schob sich in den Türrahmen. Als das rote Licht auf das rote Leder an ihren Armen fiel, zuckte sie zurück. »Schon gut«, meinte sie. »Geht nur weiter.« Er zog sie hindurch und ließ sie wieder los. Sie schien sich erst zu entspannen, als er die Arme wieder von ihr gelöst hatte.
Das Leuchten der Kugel, die Richard vor dem Körper hielt, warf zwischen den Säulen scharfe Schatten, und er sah, daß überall im Raum kleine Nischen in das Gestein geschlagen waren. In den Wänden gab es vielleicht sechzig oder siebzig solcher Nischen. Er konnte zwar nicht genau erkennen, was sich in ihnen befand, aber es handelte sich um Gegenstände von unterschiedlicher Größe und Gestalt.
Richard spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten, als sein Blick aus der Entfernung über
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