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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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geht nicht«, sagte die Milchfrau unfreundlich. »Ich habe keinen Becher, und ohne Becher keine Milch: das ist wohl klar.«
    »Aber ich, ich habe einen Becher, Herr«, sprach da die blonde, traurige Jungfer, mit ihren blauen Augen mich treuherzig anblickend.
    Und sie wandte sich, in ihre Küche zu eilen, wohin ich ihr kühn folgte und leise zu ihr sprach, sie möge sich nicht täuschen lassen von meiner Armbinde, ich sei auf der Flucht, und sie könne sich die Ursache wohl denken.
    »Oh, Herr«, erwiderte sie leise, »ich war mir sicher, daß Ihr Euch verstellt. Ich habe beobachtet, wie Ihr es ablehntet, derNonne nachzujagen, und ich sah wohl, daß auch Euern Gefährten der Sinn nicht nach dem Blut dieses armen Frauenzimmers stand. – Nehmt, da Ihr vier seid, gleich einen Krug, damit ein jeder satt zu trinken habe.«
    Sie griff nach einem solchen, und wir kehrten beide zur Haustür zurück, wo mir die Milchfrau mit noch immer unfreundlicher Miene den Krug füllte, ohne jedes Lächeln meine Münzen einsteckte und sich schroff zum Gehen wandte. Hierauf rief ich meine Gefährten, welche von der anderen Seite der Straße herbeieilten, höchstlich verwundert über meine unglaubliche Unvorsichtigkeit – welche sich indes als vorteilhaft erweisen sollte –; trotzdem tranken sie mit großer Begierde von der Milch, so arg quälte sie der Durst, nachdem sie den Malvesier des widerlichen Straßenverkäufers abgelehnt hatten und die Waffeln, davon ein jeder drei Stück verspeist, uns gleichsam im Halse steckengeblieben waren bei dem grausigen Geschwätz der alten Weiber.
    Wir wollten der bekümmerten Jungfer unter artigen Dankesworten gerade den Krug zurückbringen, als fünf oder sechs üble Kerle – in der Absicht, sich die offene Tür zunutze zu machen – sich so unversehens auf uns stürzten, daß uns zum Blankziehen keine Zeit mehr blieb und wir unsere Fäuste gebrauchen mußten, was Miroul aufs allertrefflichste tat, indem er gleich zwei von diesen Halunken zu Boden streckte, indes ich einem dritten den Milchkrug über den Schädel schlug und Fröhlich einen weiteren mit seiner Keule zurückstieß, derweil Maestro Giacomi, welcher es verabscheute, sich wie ein gewöhnlicher Raufbold zu schlagen und seine so geschickte Fechterhand mit dem Schädel eines dieser üblen Subjekte in Berührung zu bringen, den letzten mit einem mächtigen Fußtritt zu Boden schickte, dabei mit seinem ergötzlichen Lispeln und angewiderter Miene mehrmals wiederholte:
    »Was ist das für ein Gelichter!«
    Da aber weitere Angreifer in großer Zahl und mit Spießen bewaffnet auf uns eindrangen, schrie ich:
    »Mir nach, Gefährten! Die Überzahl ist zu groß, wir müssen uns verschanzen!«
    So zogen wir uns in Blitzesschnelle ins Haus zurück, schlugen die Tür zu und legten die Riegel und Sperrbalken vor. Gewißlich waren wir fürs erste gerettet, doch saßen wir dafür inder Falle! Waren eingesperrt in diesem verschrienen Haus! Verbunden mit seinem Schicksal!
    »Ei, Herr«, sprach die blonde Hausmagd (welche, wie ich bald erfuhr, Florine geheißen ward und aus der Auvergne herstammte, wo es eine Heilige dieses Namens gibt), »das war tapfer gehandelt! Aber im Haus sind die Wachen und ihr Anführer! Bedeutet das nicht tödliche Gefahr für Euch?«
    »Wie viele sind es?« fragte ich.
    »Insgesamt fünf.«
    »Ha, mit denen werden wir fertig!« sprach Giacomi, seinen Degen ziehend.
    Auch ich zog blank, doch nachdem ich einen Augenblick gelauscht und mich bedacht, sprach ich:
    »Es ist wohl besser, mit ihnen zu verhandeln. Ich höre, wie der Anführer vom Fenster oben zu den Halunken draußen spricht und ihnen androht, daß ihnen die Verstärkung aus dem Großen Châtelet gehörig das Fell gerben werde, so sie versuchten, die Tür einzuschlagen. Er ist also im Augenblick eine Art Verbündeter für uns, wenn auch kein verläßlicher. Florine, geh und sage ihm, daß ich ihn hier in Frieden und Freundschaft erwarte.«
    Doch der Anführer der Wache, der wohl nicht von großer Tapferkeit war, wollte nicht herabkommen, denn er hatte von oben gesehen, wie wir mit dem Lumpenpack draußen umgesprungen waren, und fürchtete nun Schlimmes für sich. Demzufolge forderte er, daß ich allein und ohne Waffen nach oben kommen solle, was ich mich natürlich zu tun hütete, da ich mutmaßte, er würde mich als Geisel festhalten. Nachdem Florine von ihren Botengängen treppauf, treppab schon ganz aus dem Atem war, einigten wir uns schließlich, daß wir alle vier mit

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