Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
kam, saß sie bereits wieder an ihrem Platz. Sie blickte nicht auf, als er vorbeiging, und als er Auf Wiedersehen sagte, hob sie lediglich die Hand und wackelte mit den Fingern, ohne ihn anzusehen.
An der Glastür wurde er beinahe in eine neue Kollision verwickelt, diesmal mit Flemming Torp, der die Glastür in dem Moment aufstieß, als Dan nach der Klinke greifen wollte. Sie blieben stehen und sahen sich an.
»Elisabeth Lund?«, fragte Dan.
»Du warst womöglich schon bei ihr?«
»Bleib ruhig. Ich habe nicht den Versuch unternommen, sie zu verhören. Das überlasse ich den Profis.«
»Es gibt keinen Grund, sauer zu sein, Dan.«
Dan zuckte mit den Achseln.
»Ihr Name fiel ein bisschen zu häufig, Dan.« Flemming ließ die Tür zufallen. »Elisabeth Lund spielt bei den Ermittlungen eine zentrale Rolle, aber das hast du ja offenbar auch herausgefunden.«
»Sie hat niemanden umgebracht.«
Flemming sah ihn an, ohne zu antworten.
»Meinst du nicht, dass wir uns langsam mal unterhalten sollten?«, schlug Dan vor. »Ich habe eine Menge Informationen – und du vermutlich auch. Wenn wir uns austauschen, dann …«
»Was ist mit heute Abend?«
»Kann ich nicht. Laura kommt nach Hause, und ich habe Marianne versprochen, dass wir zusammen essen.«
»Vielleicht könnte ich ja vorbeikommen?«
Dan war kurz davor zu nicken, als ihm Benjamin und Alice einfielen. »Leider nicht«, sagte er nur. »Wir brauchen ein bisschen Zeit für uns.«
»Wann dann?«
»Ich komme morgen früh zu dir.«
»Ich muss morgen arbeiten.«
»Das ist doch auch Arbeit.«
»Ja, sicher.« Eine weiße Reflexion verbarg seine Augen hinter den Brillengläsern. »Sagen wir acht Uhr. Ich koche Kaffee, und du bringst Brötchen mit.«
»Jep.« Dan spurtete zu seinem Audi. Obwohl der Wind sich gelegt hatte, war es noch immer verdammt kalt.
Beim Abendessen fühlte Dan sich zum ersten Mal seit langer Zeit wie ein glücklicher Mann. Sicherlich fehlte ein Rasmus, und möglicherweise saßen auch ein Benjamin und eine Alice zu viel am Tisch – das Bild war also nicht ganz komplett, aber war das nicht immer so? Schon möglich, dass die Menschen, die um den Esstisch saßen, nicht hundertprozentig der Gruppe entsprachen, die Dan ausgewählt hätte, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte. Doch ihm wurde plötzlich klar, dass es unter den gegebenen Umständen dem Ideal sehr nahe kam, und das war doch gar nicht so schlecht. Er ließ seinen Blick auf Marianne ruhen, deren Stirnlocke senkrecht in der Luft stand, während sie Benjamin aufforderte, das Gemüse wenigstens zu probieren. Er schaute Alice an, deren Wangen Farbe bekommen hatten. Ihre Augen glänzten lebhaft. Es tat ihr gut, mal mit anderen Menschen als nur mit ihrem Sohn zusammen zu sein, das war offensichtlich. Benjamin, der nun aus Spaß mit Marianne diskutierte, ob vier grüne Bohnen genug seien, hatte offenbar ein Bad genommen. Sogar seine Kleidung sah sauber aus. Er wirkte regelrecht lebhaft an diesem Abend, erzählte Witze, war höflich und freundlich. Vielleicht hing es damit zusammen, dass er ausnahmsweise ein junges, weibliches Publikum hatte. Laura saß neben Benjamin und ließ ihn nicht aus den Augen; sie lachte, wenn er lachte, wurde ernst, wenn er es tat. Sie wird allmählich erwachsen, erkannte Dan plötzlich, und mit einem Mal bemerkte er auch, wie sehr sie ihm ähnelte, allerdings als weibliche Ausgabe. Dieselbe Nase, dieselben leicht schrägen, hellbraunen Augen, der etwas zu breite Mund. Ihr langes, glattes Haar schimmerte in einer mittelblonden Nuance. Als Laura klein war, sagten alle, sie käme ganz nach ihrer Mutter. Das hatte sich inzwischen geändert.
»Lasst uns anstoßen.« Marianne hob ihr Glas.
»Ja«, sagte Laura und prostete ihrer Mutter zu. »Skål.«
»Schön, dass du zu Hause bist«, sagte Dan und lächelte ihr zu, während sie quer über den Tisch anstießen.
Alice servierte den Nachtisch, den sie am Nachmittag zubereitet hatte.
»Zitronencreme!«, rief Dan. »Es muss mindestens zwanzig Jahre her sein, dass ich das letzte Mal Zitronencreme gegessen habe!«
»Bin ich so unmodern?« Alice reichte ihm die Schale.
»Eher im Gegenteil«, sagte Laura. »Zitronencreme ist gerade wieder superangesagt. Pures Retro!«
»Genau«, unterstützte sie Dan, dankbar, dass seine Tochter ihn gerettet hatte. »Egal, ob modern oder nicht, ich liebe Zitronencreme.« Er nahm sich eine Portion, die größer war als sein Appetit, damit Alice sah, dass er es ernst meinte.
Die
Weitere Kostenlose Bücher