Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
gute Stimmung hielt den Abend über an; beim Abwasch, den die beiden jungen Leute übernahmen; am Couchtisch, wo alle fünf kurz darauf Doppelkopf spielten; bei Luffes Gutenachtgassi gegen Mitternacht, bei dem Laura Dan begleitete. Sie redete wie ein Wasserfall. Über das Internat, das sie liebte, über Chorproben und ihre Zimmergenossin Line, die in den ersten vierzehn Tagen unter furchtbarem Heimweh gelitten, sich nun aber eingewöhnt hatte. Dan ging neben ihr und empfand die Freude geradezu physisch. Durch den Handschuh seiner rechten Hand merkte er, wie Luffe an der Schnur zog, wenn er irgendwo ein bisschen länger schnüffeln wollte, und in der linken Armbeuge spürte er Lauras Lammfellfäustling, durch den sich auch noch die kleinste Bewegung übertrug. Lachte sie, fühlte er ein kleines Zucken, wurde sie besonders lebhaft bei ihrem Monolog, schob sie ihre Hand ein Stückchen weiter unter seinen Arm. Als wäre er eine Verlängerung ihres Körpers.
»Er wird alt, nicht?«, unterbrach sich Laura plötzlich und schaute auf Luffe, der schwanzwedelnd an einem Efeu schnupperte. »Ihr lasst doch seine Augen und sein Gehör und so überprüfen, oder?«
»Sicher. Luffe geht es gut, Laura, mach dir keine Sorgen. Die Tierärztin sagt, es ist alles bestens.«
»Gut.« Sie klopfte Luffes breites Hinterteil. »Er ist schließlich der beste Hund der Welt. Denk dran.« Sie lächelte ihrem Vater zu, und er spürte einen Kloß im Hals. Zum Teufel auch. Wurde er allmählich zu einer alten sentimentalen Heulsuse?
Samstag
Wäre Benjamin nur etwas weniger begeistert gewesen, als er sich den Audi leihen durfte, hätte sich möglicherweise vieles anders entwickelt. Seine Aufmerksamkeit wurde zusätzlich dadurch abgelenkt, dass Laura auf dem Beifahrersitz saß und ihm bewundernd zusah, wie er mit Schaltknüppel, Gas, Lenkrad und Blinker hantierte. Ob es nun das Auto war oder Laura den Ausschlag gab, blieb unklar. Jedenfalls bemerkte der sonst so wachsame Benjamin den blau lackierten Mazda 323 nicht, der am Elmevænget parkte. Er fuhr direkt daran vorbei bis zur Kuppe des Hügels, stieg aus und schloss den Wagen ab. Laura ließ Luffe los, sobald sie in den Wald kamen. Sie sahen ihm nach, als er schwanzwedelnd im Gebüsch verschwand.
Sie hatten Dan an einem gelben Backsteinhaus im Westen der Stadt abgesetzt. Er würde selbst nach Hause finden, hatte er gesagt. Benjamin wusste nicht, wen Dan treffen oder wie er nach Hause kommen wollte, aber er hatte auch nicht fragen wollen. Warum das Schicksal herausfordern, das ihm ein Luxusauto und ein nettes Mädchen beschert hatte.
»Darf ich dich mal was fragen?« Laura legte den Kopf in den Nacken, um ihm in die Augen zu sehen.
»Na klar, immer los.«
»Was ist der wahre Grund, warum ihr im Augenblick in der Gørtlergade wohnt?« Als sie seinen zögernden Gesichtsausdruck sah, fügte sie hastig hinzu: »Fühl dich nicht unter Druck gesetzt, ich habe mich nur über die Erklärung meiner Mutter gewundert.«
»Was hat sie denn gesagt?«
»Sie hat behauptet, ihr hättet einen Wasserschaden in der Wohnung, und ich soll euch nicht mit Fragen quälen.« Laura setzte ein schiefes Lächeln auf. »Das ist mir aber zu dünn. Wenn es nur ein Wasserschaden wäre, würde die Versicherung doch ein Hotel bezahlen, oder? Und ich hätte nicht das Gefühl, ein familiäres Schweigegelübde zu brechen, wenn ein paar undichte Wasserrohre euer größtes Problem wären.«
Benjamin lachte. »Nein, du hast schon recht.« Er ging weiter und trat gegen ein paar Steinchen auf dem Weg, während er nachdachte. »Okay«, sagte er dann. »Aber du musst mir versprechen, den Mund zu halten.«
»Ja, sicher.«
»Die Sache ist die, wir sind auf der Flucht«, begann er.
Lauras Augen wurden größer und größer. Keiner der beiden achtete auf ihre Umgebung, als Benjamin seine Geschichte erzählte. Luffe lief weit voraus und war daher der Erste, der den breitschultrigen Mann mit dem fettigen Pferdeschwanz sah. Trotz seiner imponierenden Größe musste der Mann sich auf die Zehenspitzen stellen, um über einen hohen Bretterzaun in einen privaten Garten zu sehen, der an den Wald grenzte. Luffe blieb einen Augenblick stehen, legte den Kopf schief und betrachtete den Fremden, aber da der Mann ihm den Rücken zuwandte und vollauf mit seinen eigenen Dingen beschäftigt zu sein schien, verlor der alte Hund rasch das Interesse an ihm.
»Mein Gott, was für ein Puzzlespiel!« Flemming starrte auf das karierte DIN -A 4
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