Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
hatte, der angelaufen kam, um ihn zu umarmen oder Hallo zu sagen. Und ganz recht. So musste sich Giorgio Armani auf einer Cocktailparty nach einer Modenschau fühlen. Mein Gott, schön, dich zu sehen! Mann, wir haben dich vermisst! Oh, komm, lass dich umarmen! Er lächelte und küsste und umarmte, vergaß aber nicht eine Sekunde den Grund seines Kommens. Meter für Meter arbeitete er sich zu Elisabeth vor, die sich hinter ihrem Computerschirm zurückgelehnt hatte und ihn mit einem leisen Lächeln beobachtete. Als er zu ihr vorgedrungen war, erhob sie sich und umarmte ihn ebenfalls.
»Können wir ins kleine Sitzungszimmer gehen?«, fragte Dan, dessen Hand noch immer auf ihrem Rücken lag.
Sie warf den Kopf in den Nacken, rümpfte die Nase und lachte. »Willst du um meine Hand anhalten?«
»Nichts, was ich lieber täte. Aber ich glaube nicht, dass meine Frau sonderlich begeistert wäre.« Er ließ sie los.
Während Elisabeth ihr Telefon umstellte, damit alle direkten Anrufe für Sebastian Kurt oder sie bei Pernille landeten, ging Dan in das kleine Sitzungszimmer voraus. Aber was hieß schon klein. Es war ungefähr zwanzig Quadratmeter groß. Eine Rückwand bestand aus einem riesigen Thermofenster, davor schaukelte die übliche Entenfamilie auf dem grünlichen Wasser. Möbliert war das Zimmer mit einem runden Glastisch und sechs Stühlen mit türkisfarbenem Lederbezug. Mitten auf dem Tisch stand eine pinkfarbene Fruchtschale mit ein paar Apfelsinen, einigen Walnüssen und einem Nussknacker. Daneben hatte jemand – vermutlich Elisabeth – eine Adventskerze gestellt, die mit ihrem jungfräulichen Docht noch immer auf den ersten Dezember wartete. Dan griff nach einer Apfelsine und stellte sich neben den Papierkorb, um die Schalen hineinzuwerfen. Der würzige Duft der Orangenschalen breitete sich im Raum aus, die Weihnachtsstimmung war perfekt.
Elisabeth schloss die Tür und setzte sich. »Und?«
Dan bot ihr die Hälfte der Apfelsine an, sie nahm sie. »Warum hast du mir nichts von Chick Support Global erzählt?«
Ihre Augenbrauen schossen in die Höhe. »Warum sollte ich?«
»Ich hätte vielleicht mitgemacht.«
»Wer hat dir davon erzählt?«
»Ich habe Renés Kampagnenfilm gesehen.«
Sie biss die Spitze einer Apfelsinenspalte ab und betrachtete ihn. »Hat ihn die Polizei auch gesehen?«, fragte sie.
Dan nickte. »Sie haben jedenfalls die DVD bekommen. Ich weiß nicht, ob sie schon die Zeit hatten, ihn sich anzusehen.«
»Du hast ihnen die DVD gegeben?«
»Ja.«
»Und dann wunderst du dich, warum ich dich nicht eingeladen habe?« Sie legte den Rest ihrer Apfelsine auf den Glastisch und wischte sich die Hände mit einem Kleenex ab, den Blick weiterhin direkt auf ihn gerichtet. »Du hast gerade die Arbeit von mehreren Jahren vernichtet, Dan.«
»Um Himmels willen, nein. Eine so große Bedeutung kommt meinem Einsatz nicht zu. Die Arbeit wurde mit dem Mord an Lilliana zunichtegemacht.« Er sah sie an. »Ich wollte dir eigentlich sagen, dass ich den Gedanken hinter dem Netzwerk gut verstehen kann. Und ich habe in vielerlei Hinsicht große Sympathien dafür.« Er hielt inne.
»Aber?«
»Aber egal, wie sympathisch der Gedanke auch ist, das Ganze ist in jeder Beziehung aus dem Ruder gelaufen.«
»Du glaubst, Lilliana wurde aufgrund unserer Arbeit bei Chick Support Global ermordet?«
Er zog die Brauen zusammen. »Schwer zu sagen. Nachdem die Polizei nicht mit mir reden will, habe ich nicht den Überblick.« Er stopfte sich das letzte Stück Apfelsine in den Mund und kaute sorgfältig, während er nachdachte. »Ja«, sagte er dann. »Ich glaube, dass Chick Support Global eine wesentliche Rolle in der Sache gespielt hat.«
»Weshalb bist du gekommen?«
»Um dich zu warnen, glaube ich.« Er sah sie einen Moment an. »Sie werden zweifellos sehr bald mit dir reden wollen.«
»Du meinst also, ich soll meine Sachen packen, Mads aus dem Kindergarten holen und nach Brasilien abhauen?«
»Keine Ahnung. Du weißt wahrscheinlich selbst am besten, ob und in welche Schwierigkeiten du kommen wirst.«
»Nicht genug, um zu flüchten, das kann ich dir versichern. Ich habe jedenfalls überhaupt nichts mit dem Mord zu tun.« Sie stand auf. »Ich sollte dir wohl danken, Dan. Aber eigentlich habe ich keine Lust dazu.«
Er kam ebenfalls auf die Beine und räumte die Reste von Elisabeths Apfelsine vom Tisch. Ein kleiner feuchter Fleck zeigte, wo sie gelegen hatte, Dan wischte ihn mit dem Ärmel ab. Als er aus dem Sitzungszimmer
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