Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
uniformierte Beamte mit gezogener Dienstwaffe vor die Haupttreppe. Curt Loos ergab sich kampflos.
Bevor er auf dem Präsidium in Untersuchungshaft genommen werden sollte, nahmen sie ihn zu einem ersten Gespräch mit in die Küche. Die Sondereinheit der Rigspoliti zur Bekämpfung von Menschenhandel hatte bereits begonnen, sein Bordellimperium näher zu untersuchen. Jo und einige andere frühere »Mitarbeiterinnen« des Verhafteten würden mehr als bereit sein, gegen ihn auszusagen, jetzt, da die beiden Köpfe der Organisation unschädlich gemacht worden waren. Leider sollten die Frauen danach in ihre Heimatländer abgeschoben werden; so lautete das Gesetz, und weder Flemming noch sonst jemand in der dänischen Polizei konnte etwas dagegen unternehmen, egal, wie barbarisch es auch erschien.
Im Augenblick interessierten die Polizei von Christianssund jedoch nicht die Verwicklungen von Curt Loos in den internationalen Menschenhandel. Die lokale Ordnungsmacht konzentrierte sich zunächst auf die drei Morde, die in dieser Woche ihre friedliche kleine Stadt erschüttert hatten. Und alles sprach dafür, dass Henriette Kurts Bruder ihnen die fehlenden Teile des Puzzles liefern konnte.
Nachdem Loos seinen Namen, das Geburtsdatum und die Adresse angegeben hatte, teilte ihm Flemming Torp mit, was mit Henriette geschehen war. »Sie wird überleben, heißt es. Wir wissen allerdings nicht, wie es langfristig weitergeht«, erklärte er. »Im schlimmsten Fall wird der größte Teil ihres Körpers gelähmt bleiben; wenn sie Glück hat, wird sie vielleicht auch wieder gehen können.«
»Ist das nicht völlig egal?«, erwiderte Curt Loos. Er zündete sich eine Zigarette an, und seine Hände zitterten ein wenig, als er das abgebrannte Streichholz in den Aschenbecher legte. »Sie muss doch in jedem Fall in den Knast, oder? Und da drin kann es ihr doch egal sein, ob sie laufen kann oder nicht.«
»Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrer Schwester?«
»Es gibt keins. Ich bin mehrere Meter unter ihrer Würde.«
»War das schon immer so?«
Er grinste. »Als Kinder waren wir ein Kopf und ein Arsch, dann wurde sie Maklerin, zog nach Djævleøen, heiratete diesen selbstverliebten Narren, und ich war nicht mal zur Hochzeit eingeladen.« Er zog zu fest an seiner Zigarette und bekam einen Hustenanfall. Dan glaubte, den zähen Schleim in den Lungen des Mannes zu hören, ihn überrollte eine Woge der Übelkeit.
Flemming überflog ein paar Unterlagen, die Frank Janssen eilig beschafft hatte. »Meinen Sie nicht, der Grund dafür könnte auch gewesen sein, dass Sie zu diesem Zeitpunkt im Gefängnis saßen? Schmuggel, Hehlerei und Dokumentenfälschung, wenn ich das richtig sehe.«
Loos bekam nach dem Hustenanfall noch immer keine Luft und begnügte sich mit einem Achselzucken. Er zog lautstark den Rotz hoch, stand auf und ging zur Spüle, wo er einen großen Schleimklumpen hinterließ.
Flemming tat, als hätte er nichts bemerkt. »Haben Sie mit ihr gesprochen, seit sie mit Sebastian Kurt verheiratet ist?«
»Ja, das schon«, antwortete er und räusperte sich ein letztes Mal. »Wir haben immer mal wieder miteinander telefoniert … Aber als sie spitzkriegte, woher meine Huren kamen, da … na ja.«
»Menschenhandel. Sklavenhandel.«
»Nennen Sie’s, wie Sie wollen. Wenn die Nutten keinen Job bei mir bekommen hätten, wären sie doch vor Hunger gestorben, da, wo die herkommen. Kanakenländer.« Er richtete sich auf. »Die haben doch Glück gehabt.«
»Dafür haben wir jetzt keine Zeit, Loos. Diese Diskussion müssen Sie mit einer anderen Abteilung der Polizei führen. Im Augenblick interessiert uns, was zwischen Ihnen und Ihrer Schwester im Laufe der letzten Wochen abgelaufen ist.«
Curt Loos zog erneut an seiner Zigarette, diesmal etwas vorsichtiger. »Was bekomme ich dafür?«
»Was meinen Sie?«
»Wenn ich euch etwas sage, will ich etwas dafür haben.«
»Das kann ich Ihnen nicht versprechen. Jedenfalls nicht bei dem Teil der Anklage, in dem es um den Bordellbetrieb geht. Wir können allenfalls darüber reden, ob Sie unmittelbar mitschuldig sind an den Morden, die hier in der Stadt verübt wurden, oder ob Sie nur unfassbar naiv waren.«
Curt Loos drückte seine Zigarette aus und sah aus dem Fenster. »Da kommt ja dieser Idiotenarsch.« Er nickte in Richtung Einfahrt, wo Sebastian Kurt in seinem BMW hielt und verwundert auf Curt Loos’ Auto starrte, das den Weg zum Carport versperrte. Flemming schickte Claus Bosse und Pia Waage hinaus.
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