Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
verdammt!«
»Was sollte das nützen? Du darfst dich eigentlich sowieso nicht einmischen.«
»Nein, natürlich nicht.«
»Reicht es nicht, wenn du hinterher die Abschrift lesen darfst?«
Dan kniff die Augen zusammen.
»Na gut«, gab sich Flemming geschlagen, »dann machen wir’s so. Aber du hältst den Mund!«
»Ja, sicher.«
»Und jetzt erzähl mir deine Theorie.«
»Ich glaube, René Holgersen sagt hundertprozentig die Wahrheit, wenn er behauptet, die Champagnerflasche niemals mit zu Lilliana genommen zu haben.« Dan machte eine Kunstpause.
»Das ist deine Theorie? Klingt ja ganz hervorragend …«
Dan seufzte. »Halt die Klappe«, sagte er. »Wir sind die ganze Zeit davon ausgegangen, dass nur Lilliana einen verheirateten Liebhaber hatte. In ihrem Zimmer haben wir schließlich das scharfe Nachthemd und die Kondome gefunden, und René hat ja auch verhältnismäßig schnell ein Verhältnis mit ihr eingeräumt. Nur dass er Lilliana eine Flasche Champagner geschenkt hätte, das hat er immer abgestritten. Und weil ihr … wir das Puzzle nicht passend bekamen, sind wir immer davon ausgegangen, er würde lügen.« Dan stand auf und schenkte sich ein großes Glas Wasser ein. Er trank es mit einem langen Schluck zur Hälfte aus. »Es ist doch vollkommen verrückt, dass es in Sallys Zimmer ebenso gute Hinweise gab, die wir nicht richtig gedeutet haben. Warum sollte sie die Pille nehmen, wenn sie die gar nicht brauchte? Wer sagt, dass nicht sie die Jubiläumsflasche geschenkt bekommen hat?« Er füllte das Glas erneut voll und setzte sich wieder auf seinen Platz gegenüber Flemming.
»Tja, jetzt, wo du es sagst.«
»Mir sind inzwischen ein paar Dinge klar geworden. Erstens habe ich kürzlich erfahren, dass Pernille Klausen, die bei Kurt & Ko für den Empfang zuständig ist, davon überzeugt ist, Kurt habe eine Affäre. Ihre Fantasie ist unglücklicherweise so begrenzt, dass sie überzeugt ist, es könne sich nur um seine Sekretärin handeln. Das schien völlig aus der Luft gegriffen, aber meine über zwanzigjährige Erfahrung in einer der verquatschtesten Branchen sagt mir, es muss etwas Wahres dran sein, wenn eine Empfangsdame plötzlich eine Ahnung überkommt. Und gestern hat mir eine Frau erzählt, auch Sebastian Kurt habe den Mädchen, die vom Netzwerk betreut wurden, hin und wieder geholfen. Ich konnte mir das nur schwer vorstellen, denn Kurt ist nicht gerade der Typ, der seine Freizeit mit der Rettung gefallener Mädchen verbringt, aber ich dachte nicht weiter darüber nach. Bis mir Sallys Antibabypillen und die ungeöffnete Flasche Champagner von Kurt & Ko in der Wohnung der Mädchen wieder einfielen.«
»Du glaubst, Sebastian Kurt war Sallys Liebhaber?«
»Warum nicht? Sally sah aus wie eine junge Ausgabe von Naomi Campbell, und wir alle wissen doch, dass klapperdürre Fotomodelle, deren IQ okay ist, genau dem Frauentyp entsprechen, auf den Kurt fliegt.«
»Ja, schon«, gab Flemming zögernd zu.
»Ich habe ihn danach gefragt.«
»Und?«
»Er hat das Telefonat abgebrochen. Das ist fast so gut wie eine Bestätigung. Ich finde, du solltest ihn ebenfalls fragen, wenn er zurückkommt.«
Flemming runzelte die Stirn und brummte irgendwas.
»Was?« Dan beugte sich vor.
Flemming hob den Kopf. »Ich sage nur, das hört sich alles ganz plausibel an, erklärt aber nicht, wer Lilliana ermordet hat. Das klingt eher danach, als hätte Henriette Kurt ein Motiv gehabt, Sally umzubringen.«
»Ja, und genau hier kommt meine Theorie zum Zuge«, erklärte Dan. »Als Henriette herausfand, dass ihr Mann mit einem jungen Mädchen aus ihrem eigenen Hilfsnetzwerk ins Bett ging, tobte sie. Und weil Henriette so ist, wie sie ist, wollte sie nicht nur darüber reden, eine Paartherapie beginnen, die Scheidung einreichen oder sonst etwas Vernünftiges tun. Sie wollte sich rächen. Und sie wollte sich auf eine Weise rächen, die es ihr ermöglichte, so weiterzuleben wie bisher. Das Haus, die Kinder, das Personal, der soziale Status, sie war nicht bereit, all das zu gefährden, was ihr etwas bedeutete, also wählte sie als Rache eine Methode, die Kurts und Sallys Beziehung garantiert beenden würde, ohne dass sie überhaupt mit ihrem Mann in den Clinch gehen musste.«
»Du meinst, sie hat einen Mörder angeheuert?«
»Nein. So weit ging sie dann doch nicht. Jedenfalls nicht bewusst. Sie wusste noch nicht einmal von John Frandsens Existenz, bevor er hier in Christianssund auftauchte. Ich glaube, Henriette hat ihren Bruder
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