Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
hübsch und wollte gern ein paar Fotos von ihr machen. Sie war völlig außer sich, und ich musste ihr lange zureden, bevor sie es mir gestattete. Sie war wirklich sehr scheu. Ich habe oft daran gedacht, wie ihr Leben wohl ausgesehen haben mochte, bevor sie hierhergekommen ist. Aber sie hat mir nie etwas erzählt.«
»Wann war das?«
»Im Sommer. Es war nicht beabsichtigt, dass sich etwas daraus entwickelte, es ist einfach passiert.« Er zuckte mit den Achseln. »Ich bin verheiratet, es war ein ziemliches Kuddelmuddel, ich denke, es wäre in jedem Fall bald vorbei gewesen.«
»Glauben Sie, Lilliana sah das auch so?«
»Ganz bestimmt!« Er lächelte. »Es ist schwer zu erklären, aber ich wusste es einfach. Sie wollte keine feste Beziehung. Jedenfalls nicht mit mir.«
»Und Ihre Frau?«
»Weiß von nichts.« Er sah Flemming in die Augen. »Und ich wäre sehr froh, wenn es dabei bleiben könnte.«
»Hoffen wir’s.« Flemming zündete sich eine Zigarette an und schob dem Regisseur die Packung zu, aber Holgersen schüttelte den Kopf. »Haben Sie Lilliana je etwas geschenkt, René?«
»Sie meinen Schmuck oder so was? Das konnte ich mir nicht leisten.«
»Ich denke an ganz gewöhnliche Aufmerksamkeiten. Blumen, ein Buch, irgendetwas in der Art?«
»Vor ein paar Wochen habe ich ihr ein Nachthemd geschenkt, ein kurzes, hellblaues … Ach ja, und ein paarmal habe ich ihr Blumen mitgebracht.«
»Wein? Schokolade?«
Er schüttelte langsam den Kopf. »Nein, nichts dergleichen.«
»Auch keinen Champagner?«
»Sie trank nicht.«
»Vielleicht haben Sie ihr ja trotzdem eine Flasche geschenkt?«
Er wirkte irritiert. »Nein, wenn ich es doch sage.«
»Wo waren Sie am Montagabend, René?«
Holgersen blickte auf, und seine Augenpartie wurde dunkel, als hätte sich ein Schatten von innen um die Augen gelegt. »Ich saß in meinem Auto und habe aufs Meer geguckt. Keine Zeugen. Ein elendes Alibi.«
»Wie lange haben Sie am Meer gesessen?«
»Ich habe zu Hause gegessen, zusammen mit meiner Frau. Um sieben fuhr ich sie zu einer Schule, an der sie einen Abendkurs belegt hat. In Religionsgeschichte, wenn Sie es genau wissen wollen. Ich sollte sie um zehn wieder abholen, und dann bekam ich plötzlich Lust, einfach nur dazusitzen und den Frieden zu genießen, ohne Handy und Mails, ich wollte nur in der Dunkelheit auf den Fjord gucken und sehen, wie die Schwäne leuchten – obwohl der Rest der Welt schwarz ist.«
»Um zehn? Wenn Ihre Frau das bestätigen kann, dann …«
René schüttelte erneut den Kopf. »Vergessen Sie’s. Es ist leider kein Alibi. Ich habe sie nämlich nicht um 10 . 00 Uhr abgeholt. Ich bin dort draußen am Fjord eingeschlafen, und da ich mein Handy abgeschaltet hatte, konnte meine Frau mich nicht einmal erreichen.«
»Und dann?«
»Sie wurde von jemand anderem nach Hause gebracht. Ich bin erst gegen halb zwölf aufgewacht, da war es längst zu spät. Meine Güte, ich habe mir vielleicht etwas anhören müssen, als ich nach Hause kam!«
Flemming begleitete den unglücklichen Liebhaber bis zum Eingang und sah ihm nach, wie er auf der Algade verschwand.
Wieder in seinem Büro, riss er sich zusammen und rief Lone Willumsen an. Sie hatte keine großen Neuigkeiten zu berichten und schien etwas verstimmt, dass René sich direkt an den Ermittlungsleiter gewandt hatte. Immerhin hatte sie den ganzen Tag versucht, etwas über den Liebhaber Lillianas in Erfahrung zu bringen. Flemming beendete das Gespräch, bevor sie sich über Dans Panne am Vormittag beschweren konnte, dann ging er in Frank Janssens Büro.
»Na, Janssen, hast du im Laufe des Tages etwas über den geheimnisvollen Benjamin Winther herausgefunden?«
Frank saß mit dem Rücken zu ihm, versunken in einen Stapel alter Zeitungsausschnitte. »Wusstest du, dass es in der Bibliothek von Christianssund einen ausgesprochen krimiversessenen und sehr hilfsbereiten Bibliothekar gibt?« Er drehte sich mit seinem Stuhl um und grinste.
Flemming lächelte. »So wie ich dich kenne, verwette ich eine Flasche Whisky, dass dieser so diensteifrige Bibliothekar eigentlich eine Bibliothekarin ist. Und darüber hinaus ausgesprochen charmant, nicht wahr?«
»Dir kann man wirklich nichts vormachen, Torp.« Frank verzog das Gesicht. »Nun ja, die Dame hat jedenfalls ein einzigartiges Archiv an Zeitungsausschnitten, in dem sie Fakten über die spektakulärsten dänischen Verbrechen der letzten dreißig Jahre gesammelt hat.«
Flemming zog die Brauen zusammen.
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