Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
den Arm nehmen. Der Lärm wurde wenigstens etwas gedämpft, als sie ihr Gesicht an die Schulter ihres Sohnes drückte. Dan stopfte die kleinen Stöpsel seines Headsets in die Ohren. Alles zusammen half. »Du hilfst mir, Ausschau zu halten, okay, Benjamin?«, sagte er.
»Na klar.«
Widerstrebend musste Dan zugeben, dass die Heimfahrt in gewisser Weise recht unterhaltsam war. Er fuhr U-Turns, bog, ohne zu blinken, auf Seitenstraßen ab, parkte hinter Wohnanlagen und fuhr nach ein paar Sekunden weiter. Alles in allem dauerte der Heimweg dreimal so lange wie die Hinfahrt – und Dan genoss jede Sekunde, als er erst einmal Alices Gejammer ausgeblendet hatte.
Es hatte etwas von einer Antiklimax, als er und Benjamin kurz darauf in der Küche bei einem Tuborg Classic saßen und Benjamin sich eine Zigarette angesteckt hatte. Alice hatten sie nach einer kurzen Telefonkonferenz mit Marianne eine Beruhigungstablette gegeben; nun versuchte sie, sich in Lauras Zimmer zu entspannen, dessen blasslila Wände noch immer in einer seltsamen Mischung dekoriert waren: idyllische Pferdebilder und Plakate mit Marilyn Manson, der den Betrachtern mit verzerrtem Gesicht seine lange, spitze Zunge entgegenstreckte.
»Ich kann noch nicht weg«, hatte Marianne gesagt. »Das Wartezimmer ist voll, und ich bin ganz allein. Selbst meine Helferin ist krank. Ihr müsst allein klarkommen, ich werde ungefähr um Viertel nach acht zu Hause sein. Dann können wir uns ein paar Pizzas holen.«
»Zwei Tage hintereinander Fastfood?«, hatte Dan geknurrt. »
No way.
Ich brauche heute Abend etwas Selbstgekochtes.«
Er war zum Irma-Supermarkt gefahren und hatte so viele Lebensmittel nach Hause gebracht, wie er in ein paar Minuten von den Regalen fegen konnte. Rinderhack. Kartoffeln. Zwiebeln. Reis. Milch. Vollkornbrot. Sandwichbrot. Haferbrei. Öko-Eier. Billige Leberpastete. Nutella. Jetzt hatten sie zumindest etwas im Haus. Und nun saßen Benjamin und Dan in der Küche und starrten sich an. Dan seufzte.
Kriminalassistent Claus Bosse sah alles andere als glücklich aus, als Flemming ihm am frühen Nachmittag die weitere Vernehmung von Merethe Finsen überließ. Aber was sollte er sagen? Allerdings war es schon ein wenig eigenartig, stundenlang über buchhalterische Konstruktionen zu reden, wenn man mitten in einem Mordfall steckte.
Sobald Flemming im Auto saß, rief er Svend Pedersen an, der zusammen mit Pia Waage den Tag damit verbracht hatte, die Verhältnisse in dem Haus an der Jernbanegade zu untersuchen.
»Pedersen«, meldete sich der Kriminalassistent mit einer Stimme, die klang, als käme sie vom Grund eines Brunnens.
»Ist es so schlimm?«
»Hej, Torp. Na ja, wie man’s nimmt.« Pedersens Stimme ging einen Moment im Lärm eines Busses oder Lastwagens unter. »Die Wahrheit ist, dass wir so gut wie nichts herausbekommen haben«, sagte er dann.
»Erzähl mir, was ihr habt.«
»Die Eigentumsverhältnisse«, begann Pedersen, »sind ein ziemliches Durcheinander. Die Gebäude, also das Vorder- wie das Hinterhaus, gehören einer Gesellschaft, die Chick Support Global heißt.«
»Ganz schön aufgeblasen.«
»Ja, klingt verdammt gut, was?« Svend Pedersen lachte trocken. »Das Problem ist nur, dass wir eigentlich nicht mehr wissen. Chick Support Global gehört wiederum zwei anderen Firmen. Und deren Eigentümer haben wir bisher nicht gefunden. Sie sind im Ausland registriert.«
»Aber es muss doch einen dänischen Verwalter geben? Einen Anwalt oder so was?« Flemming zündete sich die erste Zigarette des Tages an.
»Offenbar nicht«, sagte Pedersen. »Die gesamte Post geht an ein Postfach. Ich habe jetzt einen ordentlichen traditionellen Brief an die Eigentümer geschrieben und sie gebeten, Kontakt mit mir aufzunehmen.«
Flemming kurbelte das Fenster herunter und überlegte, ob er ein paar interessierte Fragen über die Eigentumsverhältnisse und die Gebäudeverwaltung stellen sollte. Stattdessen entschied er sich, ehrlich zu sein. »Weißt du, Pedersen, mir brummt der Schädel, den ganzen Vormittag über musste ich mir irgendwelche Dinge über Buchführung und Firmen anhören. Ich erwarte sehnsüchtig deinen schriftlichen Bericht. Habt ihr mit jemandem gesprochen, der in dem Haus wohnt?«
»Ich geb dir Waage. Sie hatte mehr Glück als ich.« Ein Scharren im Hörer, als das Handy weitergegeben wurde.
»Glück, na ja, wie man’s nimmt«, sagte auch sie. »Eine Menge Türen wurden mir vor der Nase zugeschlagen, eine Menge Leute verstanden
Weitere Kostenlose Bücher