Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
lautlos an den Fenstertisch. »Ich kann Ihnen unseren Kaffee und ein Stück selbst gebackenen Kringel empfehlen, mein Herr. So wie ihn unsere Großmütter gemacht haben! Fragen Sie Herrn Sommerdahl.«
»Zum Teufel!«, rief Kim. »Trinkst du hier Kaffee, Dan?«
Dan zuckte mit den Achseln. So war es tatsächlich.
»Ich möchte lieber ein Bier«, erklärte Kim dem Oberkellner. »Ein großes, danke!«
»Und Herr Sommerdahl?«
»Okay«, antwortete Dan und trank die letzten kalten Tropfen aus seiner Kaffeetasse. »Dann nehme ich auch eins.« Es war das dritte Bier heute. Hm. Er sah dem Oberkellner nach, der nun hinter dem Tresen des Restaurants verschwand. Der ältere Herr hatte offenbar jede Erinnerung daran verdrängt, dass Dan sich vor nur einer halben Stunde unpassend benommen hatte. Dan seufzte erleichtert.
»Willst du dir die Fotos nicht ansehen?« Kim trocknete sich das Gesicht und die Handflächen mit einer der steifen, weißen Servietten. »Sie zeigen jemanden, den du kennst.«
Dan fischte acht DIN -A 4 -Seiten aus der Hülle, und vor ihm ausgebreitet lag der dritte Schock dieses Tages. Hochprofessionelle Schwarz-Weiß-Fotos. Fünf verschiedene von Lilliana und drei, die eine göttlich hübsche Afrikanerin mit einer Menge langer, dünner Zöpfe zeigten. Es konnte sich nur um Sally handeln. Die Frauen waren nackt und bemühten sich nicht, Brüste oder Geschlechtsteile zu verdecken. Dennoch waren die Fotos alles andere als aufreizend. Die beiden Frauen saßen in der Hocke, wandten sich ab, verbargen die ernsten Gesichter hinter den Händen. Ihre Nacktheit ließ Assoziationen von Verletzlichkeit zu, nicht von Sex.
»Sie sind beide tot.« Dan musste sich räuspern. »Das andere Mädchen hieß Sally. Sie wurde heute Morgen tot am Strand gefunden.«
»Ich weiß«, sagte Kim und legte die Fotos zu einem Haufen zusammen, den er diskret umdrehte. »Ich wusste nicht, dass sie tot ist, aber ich kannte ihren Vornamen. Die Namen der Mädchen wurden als Dateinamen verwendet. Sally 001 .jpg, Sally 002 .jpg und so weiter.« Er blickte auf. »Diese Fotos wären eine Menge Geld wert, wenn ich sie
Ekstrabladet
verkaufen würde.«
»Hast du sie deshalb ausgedruckt?«
Kim zuckte mit den Achseln.
Dan betrachtete ihn eine Weile. »Na, also. Du hast sie erst nach Lillianas Tod ausgedruckt. Wie lange weißt du schon von den Fotos?«
»Seit einem Monat.«
»Und wo hast du sie gefunden?«
»Das ist es ja«, erwiderte Kim und machte Platz für das Bier, das vor ihn gestellt wurde. »Wie du weißt, mache ich die Netzwerk-Administration bei Kurt & Ko und habe deshalb Zugriff auf sämtliche Dateien, die auf dem Server der Firma liegen.«
»Klar.«
»Dieser Zugang beinhaltet Vertrauen, das man nicht missbrauchen darf«, sagte der junge Mann mit einer feierlichen Miene und trank einen Schluck Bier. »Ich öffne nur Ordner und Dateien, bei denen es aus irgendeinem Grund ein Problem gibt. Also auf reiner
need to know
-Basis …«
Yeah, right
, dachte Dan. Und mein Urgroßvater hatte Drillinge mit Maria Callas. »Versteht sich von selbst«, sagte er laut. »Es gibt ja auch niemanden, der dich irgendwie verdächtigt.«
Kim sandte ihm einen unsicheren Blick zu und fuhr fort: »Diese Bilder sind nur ein kleiner Teil einer sehr viel größeren Sammlung von Fotos und Videoclips, die in einem Ordner auf Newbizz liegen.« Das war Kauderwelsch für Außenstehende, aber Dan wusste sofort, worüber Kim sprach. Der Newbizz-Server war eine eigene Netzwerkeinheit, auf der Ideen, Synopsen und Fotos abgelegt wurden, wenn es um Kampagnen in der Entwicklungsphase ging. Nur eine kleine Handvoll Mitarbeiter hatte Zugriff darauf; alle konnten dort etwas ablegen. Öffnen und einsehen ließen sich alle Dokumente jedoch nur von einer ausgewählten Gruppe.
»Videos? Auch mit Ton?«
»Ja, die beiden Frauen reden in ihren komischen Hottentotten-Sprachen … Ich verstehe jedenfalls kein Wort.« Er zog eine DVD mit dem Logo von Kurt & Ko aus der Tasche. »Ist alles hier drauf. Vielleicht hast du ja mehr Glück …«
»Wer hat den Ordner angelegt?«
»Dein kleiner Liebling, René Holgersen.«
»Er ist nicht mein …« Dan wedelte die irrelevante Bemerkung irritiert beiseite. »René?«, fragte er nach. »Glaubst du, er hat das auf eigene Veranlassung getan?«
»Nein, bestimmt nicht.« Kim leerte sein Glas und signalisierte dem Oberkellner, dass er gern noch ein Bier hätte. »Der Ordner wurde nach dem üblichen Prozedere angelegt, mit Aktennummer,
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