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Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)

Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)

Titel: Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Grue
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Ich muss ihn überreden, mit der Hälfte des Geldes bis Samstagvormittag zu warten. Benjamins Adresse kann ich vermutlich von Merethe bekommen. Aber ich bin hundertprozentig überzeugt, dass es damit nicht getan ist. Johnny Evil ist der Typ, der immer wiederkommt. Ich werde nie wieder Ruhe vor ihm haben. Ich muss ihn umbringen. Sobald wie möglich. Aber wie?
    Noch einmal drehe ich mich im Bett um und schaue auf den Radiowecker. Vier null drei. Verdammt! Ich brauche so dringend ein bisschen Schlaf. Je früher ich ihn ermorde, desto besser. Aber wie? Wenn ich nur eine Methode finden könnte, die ihn umbringt und nicht mich.

Freitag
    Dan stand auf der Schwelle und sah, wie tief es hinunterging. Er richtete sich auf und ging zurück in den Raum. Doch das Zimmer war voller Menschen, eine wogende Menge hektischer Gesichter, die alle etwas von ihm wollten. Die vielen Stimmen flossen ineinander, ein einziges Geräusch, es war unmöglich, einzelne Worte zu unterscheiden. Man fragte ihn etwas, bat um etwas, schlug ihm etwas vor. Ununterbrochen. Unermüdlich. Unerbittlich. Und die ganze Zeit kamen neue Leute herein. Die Menschen standen immer dichter, drückten sich an ihn. Er spürte den Atem der anderen, die verbrauchte Luft. Haut, Schuppen und alte Rotweinflecken. Wieder ging er zur Balkontür, die direkt ins Nichts führte. Nur eine schmale Planke schwebte als Interims-Plattform vor der Öffnung. Versuchsweise trat er darauf, wobei er sich mit beiden Händen an den Türrahmen klammerte. Die Planke schwankte merklich. Er schaute nach oben. Sie hing an zwei dicken Seilen, die irgendwo zwei Stockwerke über ihm befestigt waren. Die Menschen hinter ihm kamen näher, er spürte die Wärme ihrer Körper in seinem Rücken. Er griff nach einem der Taue. So blieb er eine Weile stehen, umklammerte das Seil mit beiden Händen und versuchte, nicht nach unten zu sehen. Wie viele Etagen hatte dieses Haus? Zehn? Dreißig? Er konzentrierte sich und versuchte, an etwas anderes zu denken als den Abstand bis zum Erdboden. In diesem Moment stieg noch jemand auf die Planke. Der Mann bewegte sich unbeschwert, als würde er über einen ganz gewöhnlichen Zimmerfußboden laufen. Der gesichtslose Mann griff nach ihm, und Dan ließ das Seil los, um die Berührung abzuwehren. Durch die plötzliche Bewegung kam er aus dem Gleichgewicht und schwebte eine fürchterliche Sekunde lang mit rudernden Armen, die Füße auf der Planke, den Körper angewinkelt in einer unmöglichen Position. Ihm schoss noch durch den Kopf, dass er es möglicherweise schaffen könnte. Dann fiel er.
    Er erwachte, als ein Schrei versuchte, sich den Weg aus ihm herauszubahnen, allerdings blieb er wie ein zäher, klebriger Klumpen in seiner Brust hängen. Seine Haut war schweißnass. Wieder dieser Traum. Er riss sich sein nasses T-Shirt vom Leib und legte sich ganz ruhig auf die Bettdecke. Er spürte, wie sein Körper langsam wieder in seinen Normalzustand zurückfand. Der Puls sank allmählich, auf seinem Gesicht und im Nacken bildeten sich keine Schweißperlen mehr, die Muskeln entspannten sich nach und nach, er konnte Arme und Beine wieder bewegen, ohne dass es sich anfühlte, als würde er sich selbst foltern.
    Während er so in der Dunkelheit lag, dachte er daran, dass es mehrere Wochen her war, seit ihn dieser Traum das letzte Mal heimgesucht hatte. Er war fester Bestandteil seines Lebens als Erwachsener. Mindestens einmal in der Woche, oft häufiger, war er so aufgewacht, zu Tode erschrocken, außerstande aufzustehen und sich zu bewegen, um den Albtraum buchstäblich abzuschütteln. Als der Traum dann nicht mehr wiederkam, hatte er ihn keineswegs vermisst, aber um die Wahrheit zu sagen, er hatte es auch nicht bewusst wahrgenommen. Erst jetzt wurde ihm klar, wie gnädig er die letzten Wochen davongekommen war; erst jetzt wusste er, was er bisher nur geahnt hatte: Der Traum war ein Alarmsignal, sein eigenes Unterbewusstsein versuchte ihm verzweifelt zu erklären, dass Schluss sein musste. Schluss mit der harten Arbeit und dem ganzen Stress, Schluss mit Kurt & Ko, Schluss mit der Werbebranche. Schluss damit, einen Job zu erledigen, der ihn zwang, jeden Tag über andere zu bestimmen. Den ganzen Tag. Er wusste, dass es nur eines zu tun gab, und er beschloss, es Sebastian Kurt am Montag zu sagen. Auf diese Weise hatte er noch zwei Tage, um sich von seinem Audi zu verabschieden, seinem geliebten schwarzen Teufel. Aber es gibt doch auch Freelancer, die extrem gut verdienen,

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