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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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längst vorüber war.
    »Wie oft man hier gestanden und auf die Dänischen Staatsbahnen gewartet hat«, sagte Toftlund, als sie an den verlassenen Stellspuren entlangrollten. Rechts von ihnen fuhren die Autos unter das Halbdach der Mautstation. Ausgespannt wie ein fliegender Teppich aus Stahl und Glas hing es als Verlängerung des Verwaltungsgebäudes über den Fahrbahnen. Sie sahen die kleinen Kameras, die auf die Stellspuren gerichtet waren, und hörten das Quietschen der LKW-Bremsen, wenn sie zu den Boxen hinauffuhren.
    »Manchmal vermisse ich die Fähren. Das gehörte irgendwie zum Dänischsein dazu. Zum Kindsein. Auf dem Weg in die Sommerferien, die Treppen hochstürmen, um einen Platz in der Cafeteria zu ergattern und eine Wurst mit Brot. Und eine Limo. Geht’s dir nicht auch so?«
    »Überhaupt nicht«, sagte er kurz angebunden. »Das ist romantischer Quatsch.«
    »Du liebes bißchen!«
    »So war es nicht gemeint. Aber die Brücke ist ein Segen. Sie hat das Leben leichter gemacht. Es ist, als wäre sie schon immer dagewesen. Es hat noch nie jemand eine Brücke bereut.«
    »Obwohl es ganz schönen Widerstand dagegen gab.«
    »Die Dänen sind ein konservatives Volk. Sie sind wie Kinder. Alles soll so sein, wie es immer gewesen ist. Wir sind ein romantisches Volk, das von einem Morten-Korch-Dänemark träumt, obwohl es das nie gegeben hat. Schlag hierzulande irgendwas vor, von der EU bis zu einer Brücke, sofort wird sich ein Verein gründen, der das Projekt bekämpft. Weil wir keine Veränderungen wollen.«
    »Welch eine Einsicht«, sagte sie ironisch, aber immerhin lächelnd, als er den Wagen parkte. »Ich wußte gar nicht, daß du so ein nachdenklicher Mann bist.«
    »Das bin ich auch nicht«, sagte er und zog die Handbremse. Auf dem Parkplatz standen nur noch zwei andere Autos. Der Wind rüttelte in den Bäumen, und als sie fröstelnd ausstiegen, hörten sie das Meer rauschen. Die großen Fenster der massigen, aus Stahl und Beton erbauten Verwaltung reflektierten das graue Licht.
    »Wie heißt der Mitarbeiter, mit dem du einen Termin hast?«
    Der Wind spielte mit ihren kurzen schwarzen Haaren, und ihre Wangen waren schon leicht gerötet. Ihr Teint war sehr zart und trotz des schwachen olivfarbenen Schimmers fast durchsichtig. Die Nase war gerade und hatte an einem Nasenflügel eine kleine weiße Narbe, als wenn sie sich dort einmal geschnitten hätte. Dieser kleine Fehler in der sonst so makellosen Haut machte sie sehr attraktiv.
    »Peter Svendsen. Er ist der Operations- und Sicherheitschef.«
    Peter Svendsen war ein großer, magerer Mann, der eine Wendeltreppe herunterkam, um sie in der Rezeption zu begrüßen. Er war um die Vierzig, hatte kurz geschnittenes Haar, ein schmales Gesicht und trug ein blaues, offenstehendes Hemd. Freundlich lächelnd gab er ihnen die Hand und bat sie um ihren Dienstausweis, »der Ordnung halber«. Dann führte er sie die Wendeltreppe hinauf in sein Büro. Die Wände in den Fluren waren grau gestrichen, der helle Parkettboden war neu und peinlich sauber. Svendsens großes, helles Büro war mit einem Schreibtisch, einem großen Computer und einem Konferenztisch ausgestattet, auf dem Papiere lagen. An den Wänden hingen nette, nichtssagende dänische Kunstreproduktionen. Von hier aus hatte man eine Aussicht über die Autos, die in beide Richtungen fuhren, die einen nach Seeland, die anderen auf dem Weg über die Brücke nach Fünen.
    »Setzen Sie sich doch«, sagte Peter Svendsen. »Ich habe eben den richterlichen Beschluß erhalten, das ist also in Ordnung. Wie gesagt, wir sind der Polizei gerne behilflich, aber ich weiß nicht, wieviel wir für Sie tun können.«
    Svendsen hatte etwas Militärisches an sich. Toftlund kannte das von sich selbst. Wahrscheinlich war er mal Berufssoldat. Diese Selbstsicherheit, diese kurzen, präzisen Sätze.
    »Erzählen Sie uns doch bitte, was Sie archivieren«, sagte Toftlund.
    »Gut. Hinterher gehen wir in den Ü-Raum hinauf.« Er kreuzte die Arme und sagte seine Geschichte auf, als hätte er sie schon oft erzählt. »Das System ist nicht darauf ausgerichtet, daß wir die Benutzer der Brücke registrieren. Die Videoüberwachung dient ausschließlich dem Zweck, das Bezahlungssystem zu kontrollieren. Wir sind online und können die Kreditkartentransaktion mit dem Kennzeichen verbinden, aber nicht mit dem Fahrzeugführer. Wir bewahren die Daten drei, vier Monate auf. Bei knapp 20 000 Autos am Tag ist unser Archiv also ziemlich umfangreich. Wenn Sie

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