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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Bergkamms errichtet hatten. Jemand begrüßte ihn mit einem Schlag auf die Schulter. Cheun griff nach der Hand und erkannte Onnen, den Führer der Horde.
    »Cheun! Wie sieht es unten aus? Beruhigen sich die Alten wieder mit ihren Märchen?«
    Cheun schnaubte grimmig. Er konnte die Anwesenheit der anderen Männer spüren, das Geräusch ihres Atems und ihrer Bewegungen hören. Angst lag in der Luft, und Wut – die ohnmächtige Verzweiflung, nichts tun zu können, um sich gegen den Feind zu wehren.
    »Soleun erzählt die alten Legenden. Er sagt, wir brauchen nur zu warten, bis die Feinde von selber untergehen an ihrer Bosheit.«
    Vereinzelt kam Gelächter aus dem Dunkel, hart und kurz, wie Gebell. Der unmerklich sacht wehende, aber beißend kalte Wind hier oben begann Cheun im Gesicht zu schmerzen. Seine Nasenlöcher schienen von innen her zu vereisen und gefühllos zu werden.
    »Hat sich etwas getan an der Grenze?«, fragte Cheun in die undurchdringliche Nacht.
    »Nein«, sagte jemand.
    Cheun tastete sich vorwärts, bis er in die Tiefe sehen konnte. Da war das andere Licht, das Licht des Feindes. Ein kaum wahrnehmbarer, dunkelblauer Lichtsaum kennzeichnete den Verlauf der befestigten Grenze. Das Licht war so diffus, dass man keine Einzelheiten erkennen konnte, nur die kantigen Umrisse kolossaler Maschinen, die entlang der Grenze aufgefahren waren.
    Cheun erinnerte sich, wie er als Kind zum ersten Mal dieses Bild gesehen hatte. Zuvor war die Grenze ein endloser, unscheinbarer Zaun aus Draht gewesen, der jeden mit einem Blitzschlag tötete, der ihm zu nahe kam, und der nachts in diesem flirrenden blauen Licht glomm wie eine unablässige Drohung. Eines Tages dann waren die Maschinen angefahren gekommen, langsam, wie große Tiere aus grauem Stahl. Es war eine endlose Kolonne gewesen, und sie hatten sich nebeneinander aufgestellt, eine neben der anderen, bis schließlich die Front der fahrenden Maschinen von Horizont zu Horizont reichte.
    Er war da gestanden und hatte gewartet, was nun passieren würde. Seine Horde hatte nicht gewartet; sie hatten ihre wenigen Habseligkeiten gepackt und waren fortgezogen. Aber aus der Ferne hatte er es noch gesehen: Männer kamen und bauten den Zaun ab. Und so jung wie er war, hatte Cheun doch begriffen, dass sie es taten, um den Weg freizumachen für das Graue Land, für den Feind, der sie alle töten wollte, obwohl sie ihm nichts getan hatten.
    Und so war es immer weitergegangen. Immer wieder hatten sie fliehen müssen, immer höher in den Norden, und es war immer kälter geworden und das Essen immer weniger. Manchmal hatten sie gegen andere Horden kämpfen müssen, in deren Gebiet sie auf der Flucht vor dem Feind eingedrungen waren. Und jetzt waren sie am Rand des felsigen Nordmassivs angekommen. Jetzt blieb nur noch der Weg in eine tödlich kalte, unfruchtbare Einöde, wo sie zwischen kahlen Felsen und schroffen Schluchten verenden würden.
    »Was denkst du, Cheun?«, fragte Onnen plötzlich neben ihm.
    Cheun zuckte zusammen. Er hatte den Anführer nicht herankommen hören, so sehr war er in Gedanken und Erinnerungen versunken gewesen.
    »Ich weiß nicht, wohin wir diesmal fliehen könnten«, erklärte er dann. »Uns bleibt nur noch die Felswüste und danach das ewige Eis. Es ist gleich, was wir tun – wir können nur wählen zwischen dem schnellen Tod und dem langsamen.«
    »Und was wählst du?«
    »Ich wähle immer den Kampf.«
    Onnen schwieg eine Weile. »Ich hatte geplant, dass wir in Richtung des Sonnenaufgangs weiterziehen, wenn es wieder so weit ist. Wenn die Berichte stimmen, gibt es dort warme Täler, reichen Boden und viele gut genährte Tiere. Aber es wäre ein langer Marsch geworden, und um ihn zu überstehen, hätten wir noch die nächste Ernte gebraucht. Der Angriff kommt zu früh. Die Feinde werden in den nächsten Tagen vorrücken und unsere letzten Felder dort unten zerstören, und wenn wir dann noch da sind, werden sie uns töten.«
    »Dann bleibt uns nichts anderes, als zu fliehen und die Alten und die Schwächsten zurückzulassen«, stellte Cheun fest. Er hatte einmal seine kranke Mutter zurücklassen müssen bei einer Flucht und aus weiter Entfernung mit angesehen, wie ihre Hütte im Feuerblitz des Feindes verging.
    »Ich habe einen anderen Plan«, sagte Onnen. »Wir versuchen sie aufzuhalten.«
    Cheun war sich plötzlich nicht sicher, ob dies alles nicht einfach ein schlechter Traum war. Aufhalten? Was redete der Anführer da? Keine ihrer Waffen war im Stande,

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