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Die haessliche Herzogin

Titel: Die haessliche Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Teil des abendlichen Gartens. Aus einer Baumgruppe her drang Gesang. Das Hoffräulein legte die Finger an die Lippen, bedeutete ihm, stillezustehen, zu schweigen.
    Eine warme, volle Stimme sang ein einfaches Lied, jubelte in alle Höhen, schluchzte durch alle Kümmernisse, sehnte sich, dankte, ging durch alle Irrsale. Den jungen Menschen überkam es wie in der Kirche bei einem hohen Fest. Er nahm die Mütze ab. »Die Herzogin ?« flüsterte er, ungläubig. Da kam sie schon den Baumgang herunter. Sie sah das große, bewegte Staunen in seinem offenen Gesicht. Reichte ihm langsam die Hand. Er küßte sie.
    Unterdes war die Angelegenheit der Hinterlassenschaft der Frau von Flavon so weit gefördert worden, daß man die Entscheidung nicht gut weiter hinauszögern konnte. Juristische wie politische Gründe sprachen dafür, die erledigten Lehen den um die luxemburgische Sache sehr verdienten Bischöfen zurückzugeben. Gleichwohl fanden die Räte allerlei fadenscheinige Gründe, die für die Damen von Flavon sprachen.
    Es war nämlich Agnes bei jedem einzelnen gewesen und hatte so lange Trauer, Jugend, List, Hilflosigkeit spielen lassen, bis sie die Räte eingewickelt hatte. Johann entschied also herrisch, daß die Güter den Fräulein verbleiben sollten. Doch Margarete widersetzte sich. Mit so guten Gründen und so beharrlich, daß dagegen nicht aufzukommen war. Man einigte sich schließlich auf einen Vergleich. Schloß und Gericht Velturns sollte den Schwestern verbleiben, die westlichen Besitzungen an Chur, Taufers an Brixen zurückfallen; doch mit dem Beding, daß der Bischof von Brixen nur einen von Schloß Tirol vorgeschlagenen Anwärter damit belehnen dürfte.
    Die Schwestern, die schon den weiten Besitz unter sich geteilt hatten, mußten sich also mit dem einen Velturns begnügen. Sie waren lärmend, beweglich, eigenwillig, streitsüchtig. Immerzu herrschte giftiges Geplänkel auf Burg Velturns. Auffallend war, daß die angenehmen Stimmen der jungen Damen im Streit eine unerhört harte, pfauenhaft scharfe Tönung bekamen. In der Öffentlichkeit erschienen die Schwestern übrigens immer traulich vereint, umschlungen, lieblich, blumenhaft lächelnd.
    Als Kandidaten für das erledigte Taufers schlug Margarete Chretien de Laferte vor. Der Herzog geiferte empört dagegen. Was? In diesen fetten Besitz soll man den Schlucker setzen, den kahlen Mucker, der sich immer so falsch bescheiden an die Wand drückt und sicher nach einem stechen wird, sowie er nur die Macht dazu hat? Doch Margarete blieb fest. Der Herzog von Kärnten und Graf von Tirol könne sich nicht lumpen lassen. Könne nicht so lange jemandes Dienste annehmen und dann knausern und filzig sein. Wenn Chretien jetzt ohne Lohn und Dank an einen andern Hof gehe, so sei sie selber beschimpft durch solchen schmutzigen Geiz. Als Johann sich weiter sträubte, drohte sie, die Entscheidung des Markgrafen Karl anzurufen, bis er sich knurrend fügte.
    Margarete selbst teilte Chretien diese Entscheidung mit. »Der Bischof von Brixen wird Sie mit Schloß und Gericht Taufers belehnen. Bewähren Sie sich, Herr von Taufers! Es ist mein Ruhm, wenn Sie Ehre einlegen, meine Schande, wenn Sie versagen .«
    Chretiens mageres, kühnes, gebräuntes Gesicht rötete sich bis unter das eigenwillige Haar. Langsam ging er ins Knie. Er sah nicht mehr, daß ihr Mund sich äffisch vorwulstete, daß ihre Haut grau und lappig war.
    »Frau Herzogin !« stammelte er. »Allergnädigste, herzliebste Frau Herzogin!« Und es war mehr als die übliche Formel, wie er ihr dankte: »Pour toi mon âme, pour toi ma vie !«
    In der klobigen, altväterlichen Burg des Tiroler Landeshauptmanns Volkmar von Burgstall saßen sieben, acht von den einflußreichsten tirolischen Baronen beim Wein. Es kam selten vor, daß der wuchtige, massige Herr Gäste zu sich bat, und dann in knurriger, barscher Weise, die wie ein Befehl klang. Die Halle, in der man saß, war dumpf und niedrig, die Wände überhaupt nicht, der Boden mit wenigen Tüchern belegt.
    Glasfenster, das modische Zeug, verschmähte der konservative Hausherr. Der junge, fröhliche Albert von Andrion, Margaretes natürlicher Bruder, machte sich lustig über die Bretter, mit denen jetzt in der kalten Jahreszeit die Lichtöffnungen vernagelt waren. Man saß wie in einem Keller. Alles war rauchig, rußig vom Kamin, von den Kerzen und Pechfackeln. Dabei war der Raum nicht zu durchwärmen; die Herren rückten unbehaglich hin und her; man briet auf der einen Seite,

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