Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)
ausgestorben.»
Robert schaut Leni besorgt an. «Wer ist gestorben?»
«Niemand, ich habe nur überlegt, ob Coloradotannen ausgestorben sind, weil Katja und Bernd trotz intensivster Suche einfach keine auftreiben», erklärt sie mit ernster Miene. «Falls dir einer dieser seltenen Bäume begegnet, sofort verhaften.»
Katja zieht die Augenbrauen hoch. «Sehr witzig, hahaha.»
Friedrich fragt, wer welchen Glühwein möchte, und Robert stellt das Tablett mit dem Essen in die Mitte. «Bitte, bedient euch. Die helle Wurst ist für Frau Amberger, Pute. Fettreduziert.»
Ich bedanke mich überschwänglich, obwohl mir fast der Appetit vergeht. Dieses Putenzeugs schmeckt todlangweilig. Ich muss mir dringend eine List ausdenken, wie ich das rückgängig machen kann, oder Katja verdonnert mich in Zukunft nur noch zu fettlosen Mahlzeiten. Auch wenn ich nicht so versessen auf die Gans bin wie meine Älteste, möchte ich dennoch nicht geschmackloses Putenschnitzel verzehren müssen, während der Rest der Familie knusprigen Gänsebraten spachtelt.
«Ich war vor zwei Tagen draußen am Fohnsee», beginnt Friedrich zu erzählen. «Um mal nach dem Rechten zu sehen und den Kamin zu überprüfen.» Er blinzelt mir verschwörerisch zu, worauf ich sofort rot anlaufe.
«Im Wochenendhaus, warum denn?», fragt Robert hellhörig.
«Ach, einfach mal nachschauen, ob das Haus noch steht», antwortet Friedrich launig. «Und im Wald hinter dem Haus ist eine Baumplantage, da kann man Christbäume schlagen, vielleicht haben Sie dort Glück, Katja.»
Über Katjas Gesicht huscht ein kleines, hoffnungsvolles Lächeln. «Meinen Sie?»
Friedrich reicht ihr einen Becher Glühwein. «Einen Versuch ist es zumindest wert, und es wäre ein hübscher Ausflug.»
In dem Moment kommt Bernd mit den Kindern zurück. Die stürzen sich auf die Bratwürstel, und auch mein Schwiegersohn sagt nicht Nein.
«Herr Hirsch hat vorgeschlagen, an den Fohnsee zu fahren, dort gäbe es vielleicht eine Coloradotanne», informiert Katja ihren Mann. «Zudem sind die Bäume dort auch viel günstiger, weil der Zwischenhandel wegfällt.»
«Hmm … meinetwegen», sagt Bernd kauend. «Aber ich kann erst am Nachmittag … Hmm … Morgens muss ich noch mal in die Schule …»
«Ich möchte auch mitfahren», melde ich mich zu Wort. Nicht, weil ich so scharf bin aufs Baumfällen, aber Friedrichs Haus interessiert mich natürlich sehr. «Nachmittags habe ich nämlich frei. Und während ihr nach dem perfekten Baum Ausschau haltet, kümmere ich mich um die Jungs.»
Friedrich hakt sich wieder bei mir ein und strahlt in die Runde. «Und wenn ihr euren Baum gefunden habt, gibt es Tee oder Kaffee bei mir. Ich bin nämlich schon am Vormittag draußen, weil ich den Kaminbauer erwarte. Wenn alles klappt, sollte bei eurer Ankunft bereits ein Feuerchen lodern.»
Katja bedankt sich herzlich für die Einladung und wirkt plötzlich viel entspannter.
Ich lächle Friedrich verzückt an. «Die Einladung nehmen wir gerne an.»
23. Dezember, Montag,
noch 1 Tag bis Weihnachten
Morgen kommt der Weihnachtsmann
, summe ich gutgelaunt den Klassiker aus dem Lautsprecher mit. Mir bringt der bärtige Mann aber heute schon seine Gaben. Nach der vierwöchigen Schufterei belohne ich mich einfach mal selbst mit einem Geschenk. Denn an Heiligabend stehen noch vier Stunden Packen an. Danach werde ich wie versprochen die Gans abholen, mich für die Feier bei Katja umziehen – und was noch alles in letzter Sekunde an Katastrophen über mich hereinbricht, steht in den Weihnachtssternen. Zeit, um mir morgen in Ruhe etwas Schönes auszusuchen, bleibt garantiert nicht.
Ich liebäugle mit einem Kaschmirpulli. Dem ersten meines Lebens, von dem ich schon seit Ewigkeiten träume. Dass ich mir diesen Traum ausgerechnet jetzt erfülle, liegt an Friedrichs Einladung und der Fahrt zum Fohnsee, wo dann auch das Coloradotannen-Drama hoffentlich ein glückliches Ende findet. Natürlich kann ich mich auch in einem stinknormalen kratzigen Wollpullover zum Tannenbaum fällen aufmachen. Und damit auch Tee trinkend am Kamin sitzen. Aber in einem feinen Kaschmirpullover mit Teetasse am lodernden Feuer in Friedrichs Gesellschaft zu verweilen, intensiviert das Vergnügen um ein Vielfaches. Irgendwie englisch, fast wie bei
Rosamunde Pilcher
. So stelle ich es mir zumindest vor. Selbstredend würde ein derart edles Stück zum vollen Preis meine begrenzten Mittel übersteigen. Aber der
Christmas Sale
(wie das jetzt
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