Die Häupter meiner Lieben
Hier war alles anders. Bereits das Bad der Eltern erinnerte mit seinen orientalischen Kacheln an die Blaue Moschee. Aber was mich viel mehr faszinierte, war die Bettwäsche; ich kannte nur weiße, karierte oder sonstwie artig gemusterte. Hier gab es Wäsche aus reiner Seide in einem fremdartigen Rosa, das mir im matten Licht der Messingampeln wie die Sünde selbst erschien.
»Was für eine merkwürdige Farbe...«
Cora nickte. »Persischrosa, die Lieblingsfarbe meiner Mutter.«
Detlefs Ferkelhaare paßten schlecht zu dieser Tönung. Sein offener runder Mund machte den Sparkassenlehrling zu einem Schwein, dem man die gesparte Mark ins Porzellanmaul stopft. Cora holte den Nagellack ihrer Mutter, selbstverständlich in persischrosa. »Hilf mir, ihn auf den Bauch zu drehen«, sagte sie, dann begann sie mit rosa Lack seinen Rücken zu bepinseln.
Ich hatte unterdessen seinen Blazer gefilzt und die Brieftasche herausgenommen. Als ich aufsah, stand auf Detlefs Rücken ICH BIN . »Wie geht's weiter?« fragte ich.
» EIN SCHWEIN «, sagte Cora.
»Finde ich nicht originell.«
»Okay, ich bin pervers«, und Cora tunkte den Pinsel ein.
»Nein«, sagte ich, »besser: ich bin impotent.«
»Er kann es nicht allein abmachen, er muß eine zweite Person darum bitten. Noch lustiger, er würde es nicht merken und ahnungslos ins Schwimmbad gehen.«
Als die Schrift getrocknet war, drehten wir ihn wieder um.
»Cora, sieh mal, er hat Liebesbriefe von zwei verschiedenen Frauen in der Brieftasche!«
»Gib her, ich bringe sie gleich zurück. Vater hat einen Kopierer, außerdem eine Polaroidkamera.«
Während Cora fotokopierte, hatte ich fünf Minuten Zeit, mir einen nackten Mann zu betrachten. Als Cora auf der Treppe zu hören war, hatte ich Detlef schon wieder zugezogen.
»Bevor wir ihn fotografieren, kriegt er noch rosa Fingernägel«, sagte Cora. Wie Mani- und Pediküre arbeiteten wir uns durch je zehn Finger- und Fußnägel in Persischrosa. Es war eine Tätigkeit, die uns hoch befriedigte. Schließlich strichen wir passend dazu das Zifferblatt seiner Uhr und den Siegelring an.
»Was noch?«
Cora holte aus Professors Schreibtisch verschiedene Stempel. Sie las vor >Büchersendung<, >Drucksache<, >Einschreiben<, >Vertraulich< und so weiter. Wir entschieden uns für erledigt und damit wurde Detlefs Brust, auf der nur wenige Borsten wuchsen, abgestempelt.
»Gibt ein gutes Foto«, sagte Cora, »schade, daß man Vorder- und Rückenteil nicht gleichzeitig ins Bild kriegt:
ERLEDIGT , und IMPOTENT .«
»Ach, wo wir gerade dabei sind«, sagte ich, »wir könnten dem Sparkassenschwein einen Ohrring spendieren.« Mit einer Stopfnadel fuhr ihm Cora durchs Ohrläppchen, ich hielt ein Stück Seife dagegen und ein Tempotuch bereit. Detlef gab böse Töne von sich, aber er wehrte sich nicht. Wir zogen Silberdraht durch das Ohr und befestigten ein winziges Negerbaby aus Plastik daran, das aus einem Kaugummi-Automaten stammte.
Dann machten wir eine Menge Aufnahmen. Detlef von allen Seiten, gelegentlich auch mit Cora und mir. Allerdings zogen wir uns nicht aus, sondern steckten nur die Köpfe aus der persischrosa bezogenen Daunendecke heraus.
In seine Brieftasche legten wir zu den Originalbriefen je eine Fotokopie, damit er wußte, daß wir sie vervielfältigt hatten, außerdem einige gelungene Fotos.
Während Cora mir die Liebesbriefe vorlas, trennte ich die goldenen Ankerknöpfe von Detlefs dunkelblauer Jacke und nähte sie sorgfältig um einen Zentimeter versetzt wieder an. Mitten im geruhsamen Nähen kamen mir Bedenken. »Meinst du nicht, daß es Nazi-Methoden sind?« fragte ich meine heitere Freundin.
Cora beruhigte mich. »Von außen sieht man gar nichts, bloß die rosa Fingernägel und das Negerbaby. Das kann er mit einer Wette erklären. Mach dir nicht gleich ins Hemd. Wir gehen jetzt schlafen.«
Vorsichtshalber ließen wir die Lampen im Schlafzimmer an und stellten Detlef einen Putzeimer vors Bett.
»Ob wir uns morgen früh, bevor er aufwacht, neben ihn legen sollen?« sagte ich. »Dann könnte er denken, wir hätten es die ganze Nacht mit ihm getrieben und wären quitt.«
»Dazu paßt nicht impotent auf seinem Rücken, und ich bin zu faul, es wieder abzumachen. Ich weiß sowieso nicht, wo der Nagellackentferner ist.«
Also gingen wir schlafen, denn meine Mutter hatte erlaubt, daß ich im angesehenen Professorenhaus übernachtete. Wir schliefen bis zwei Uhr nachmittags und wurden durch ununterbrochenes Telefongeklingel
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