Die Häupter meiner Lieben
waren.
Cora sagte: »Sein Geld gehört mir und ist also auch dein Geld.«
Auch Vater trank in den folgenden Tagen nicht. Hennings Versuche, ihn zu leichter Arbeit im verwilderten Garten zu motivieren, schlugen allerdings fehl. Vater war zu schlapp. Eines Morgens mußte er im Schockzustand unter Sirenengeheul und Blaulicht ins Krankenhaus gebracht werden. Sein starkes Bluterbrechen war auf eine Erweiterung der Speiseröhrenvenen zurückzuführen, Folge einer lang bestehenden Leberzirrhose, wie uns der Arzt auf der Intensivstation erklärte. Ich hoffte, mein Vater würde nicht mehr aus der Bewußtlosigkeit erwachen.
Aber als wir ihn nach einigen Tagen auf Hennings Initiative besuchten, sagte Vater: »Unkraut vergeht nicht.« Man wolle ihn mit Laser operieren. Augenzwinkernd bat er Henning, ihm beim nächsten Mal keine Blumen, sondern etwas Trinkbares mitzubringen.
Ohne Vater wurde es wieder gemütlicher. Henning verlangte wie früher nicht mehr als zwei Gläser Wein zum Essen, und wir waren ganz lustig. Manchmal erzählte er von früheren Frauen.
»Ihr erinnert mich an eine meiner ersten Freundinnen. Damals war ich jung und unerfahren, noch nicht reich und unverheiratet. Ich lernte ein Chinesenmädchen kennen, das auch noch nicht lange in Rio lebte. Mary Wang kam aus Shanghai, sprach Pidgin-Englisch und war süß.«
»Und was sollen wir mit ihr gemeinsam haben?« fragte Cora.
»Euren Hang zum Dolcefarniente und eure Geldgier«, sagte Henning uncharmant.
»Ich dachte, Chinesen sind bienenfleißig«, sagte ich gekränkt, denn gerade an diesem Tag hatte ich alle Gartenstühle gestrichen.
»Mary Wang hatte eine Devise, paßt auf: >Me no savvy.. .<«
»Was heißt >savvy« unterbrach Cora.
»Das kommt aus dem Französischen, von savoir gleich wissen. Also, noch mal:
>Me no savvy,
Me no care,
Me go marry
Millionaire.
If he die
Me no cry.
Me go marry
Other guy.<«
Wir lachten; uns gefiel zwar der Spruch, aber nicht Hennings Gesicht dabei.
Übrigens waren wir nicht so faul, wie Henning dachte. Wenn er morgens auf dem Golfplatz war, frühstückten wir zwar ausgedehnt, aber dann hatten wir durchaus ein Programm. Fast täglich kamen Handwerker, mit denen sich Cora herumschlug. Sie ließ sich ein Atelier bauen. Ich hatte schließlich ein Kind, um das ich mich kümmern mußte. Darüber hinaus hatte ich durch den Umgang mit Emilia Spaß daran gefunden, aus Coras italienischen Lehrbüchern Vokabeln zu lernen. Emilia fragte mich ab, verbesserte mich und fühlte sich als Lehrerin und Kinderfrau wichtig und aufgewertet.
»Was ist aus Mary Wang geworden?« fragte ich Henning beim Abendessen.
»Prostituierte. Keine grüne Witwe wie aus dir.«
Cora ging ungern ans Telefon, sie hatte keine Lust, mit ihren Eltern zu sprechen. Ich mußte sie im allgemeinen verleugnen. »Hat sich meine Tochter Cornelia endlich diese unselige Heirat aus dem Kopf geschlagen?« fragte der Professor jedesmal. Zögernd sagte ich, das müsse er sie schon selbst fragen. Frau Schwab erzählte, daß Coras Bruder Examen gemacht und sich von seiner Braut getrennt habe. Er werde nächstens nach Deutschland kommen und sicher auch seine Schwester besuchen.
Nur gelegentlich rief Jonas an, er hielt ein Telefongespräch ins Ausland für einen Luxus, den er sich kaum leisten konnte. Aber da ich keine Lust hatte, mir seine Vorwürfe anzuhören, mußte er selbst die Initiative ergreifen, wenn er von seinem Barthel hören wollte.
Manchmal sprachen Cora und ich über unsere Zukunft. Bei ihr war es eine klare Sache: sobald das Atelier fertig war, wollte sie täglich malen, eventuell auch Privatunterricht nehmen und schließlich berühmt werden. Henning wurde nicht weiter erwähnt.
Bei mir lag der Fall anders. Konnte ich einfach in Florenz bei Cora und Henning bleiben? War ich nicht ebenso ein Parasit wie mein Vater? War es richtig, Jonas so mir nichts, dir nichts abzuhängen? Er hatte mir nie etwas Böses getan. Wenn er in Florenz leben und studieren könnte - das wäre wunderbar gewesen. Mein beruflicher Traum war, hier Italienisch zu studieren und schließlich als Übersetzerin zu arbeiten.
»Weißt du, wer mir manchmal im Wege ist?« fragte Cora. »Du wirst es nicht glauben, aber es ist Emilia. Natürlich ist es praktisch, daß sie putzt und kocht. Andererseits wären ihre beiden Mansardenzimmer ein besseres Atelier geworden als das Nordzimmer im ersten Stock. Aber ich weiß, du liebst sie, weil sie Béla so vorbildlich
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