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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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dieser Schrei nach Bypässen in der Art von Essensbestellungen im Restaurant. Nun, eine kleine Spur weniger aufgeregt als im Fernsehen war es schon, nicht ganz so schrill. Keine Hunderennbahn für Rollbahren. – Es war dann genau eine solche Rollbahre, unbesetzt an den Rand geparkt, die Ivo ins Auge fiel, als er, von den Polizisten flankiert, einen langen Flur entlangschritt. Eine abgestellte Krankenbahre, darauf ein von Blut getränktes Stück Stoff, eine Jacke, eine grüne Trainingsjacke, Grün von der Art Braun, wenn Blätter verwelken. Man könnte auch sagen: Oliven mit Depression. Dazu das Markenzeichen einer bekannten Sportartikelfirma, allerdings wegen des verteilten Bluts nur noch schwer auszumachen. Ivo aber erkannte das Emblem, so wie er auch das Grün erkannte. Er hatte es immer scheußlich gefunden, gleichzeitig nie ein Wort darüber verloren, weil Lilli in ästhetischen Fragen über eine uneingeschränkte Autorität verfügte. Ja, genau eine solche Sportjacke besaß Lilli. Lilli, die doch bereits seit Stunden in ihrem Bett lag und all die Aufregungen glücklich verschlief. Wie sagte sie selbst des öfteren: »Ich habe eine Nachtruhe wie eine Siebenjährige, die noch nie einen Alptraum hatte.«
    Â»Natürlich«, sagte sich Ivo, »sie schläft. Was auch sonst?«
    Und dann überlegte er, wieviel tausend Menschen solche Jacken trugen, obgleich klarerweise sehr viel weniger als im Falle von 08/15-Schwarz oder 08/15-Rot. Aber auch die Olivgrünen gab es sicher in großer Zahl. Im trendigen London etwa … Nun, hier war nicht London, sondern die Universitätsklinik einer mittelgroßen Stadt, die manchen die Welt war, anderen die Provinz, aber keinesfalls London. Trotzdem …!
    Â»Hör auf, dich verrückt zu machen«, mahnte sich Ivo, während er sich bereits mehrere Meter von der Bahre und der blutverschmierten Jacke entfernt hatte. Doch quasi aus dem eigenen Beschwichtigungsversuch heraustretend, vollzog er eine Kehre, ließ die verdutzten Polizisten stehen, lief zurück und griff nach der Jacke. Eine Krankenschwester rief ihm zu, er solle das bleibenlassen. Aber er ließ es nicht bleiben. Er hatte jetzt Blut an den Händen. Blut, das er nicht sah, sondern allein das kleine große L , das Lilli so fürsorglich in die Etiketten all ihrer Wäschestücke zu sticken pflegte.
    Das war der Moment, da Ivo Berg starb. Sein Herz setzte aus. Daß er dennoch weiteratmete … nun, das ist eben das Phänomen des ersten Todes, den man stirbt: daß das Herz aussetzt und man trotzdem atmet, trotzdem schwitzt, trotzdem zittert, gar nicht mehr zu zittern aufhört. Das Zittern ist wie ein Echo des alten Lebens, ein sich in die Länge streckender Nachhall.
    Man ist tot, aber man spürt den Griff des Polizisten.
    Â»Was ist los mit Ihnen?« fragte der Uniformierte.
    Â»Ich …« Ivo sah hoch. Seine Augen waren zwei rote Knöpfe. Er stammelte: »Das ist … meine Frau … das gehört ihr, das hat sie getragen.«
    Â»Sind Sie sicher?«
    Ivo zeigte auf das Etikett, auf das eingestickte L .
    Der Polizist runzelte die Stirn. Er fand, hier würden ein bißchen viel Dinge zusammentreffen, sich kreuzen, sich überschneiden. Freilich, das Schicksal war leider nicht so eins, das man gegen die Wand drücken und dem man Handschellen anlegen konnte.
    Â»Wie heißt Ihre Frau?« fragte der Polizist.
    Â»Lilli. Lilli Steinbeck. Wir sind nicht verheiratet, aber wir werden bald …«
    Â»Bleiben Sie mal da stehen«, sagte der Beamte, »ich kläre das ab.« Er trat zu der herbeigelaufenen Krankenschwester, schob sie von Ivo weg und erkundigte sich flüsternd, was es mit der blutverschmierten Jacke auf sich habe. Nachdem er eine erste Auskunft erhalten hatte, ging er hinüber zum Infoschalter, sprach dort eine Weile mit einer Angestellten und kehrte dann zu Ivo zurück, der noch immer neben dem anderen Polizisten stand: starr, wie verbrannt, wie diese Gegenstände, die völlig im Feuer aufgehen, jedoch in der Senkrechten verbleiben, totemartig, schwarze Gebilde.
    Â»Hören Sie«, sagte der Polizist mit einer sich windenden Stimme, »es scheint … Sie haben leider recht. Ihre Freundin … sie wurde eingeliefert. Sie hatte einen Unfall.«
    Â»Aber sie liegt doch im Bett!« fuhr Ivo hoch. »Sie schläft seit neun am

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