Die Hand am Sack: schwule erotische Geschichten (German Edition)
nicht, warum ich das tue. Vielleicht, weil ich verrückt bin, oder weil – weil ich dich mag, so wie du bist, egal ob schwul oder nicht.«
Nur nicht sentimental werden, dachte ich bei mir und versetzte Hartmut einen kameradschaftlichen Stoß in die Rippen.
»Ich glaube, du hast ein paar Gläser zu viel getrunken ...« Mein Lächeln wollte nicht so recht gelingen. »Trotzdem danke ich dir für dein Angebot und werde mir die Sache durch den Kopf gehen lassen. Wir reden später noch einmal darüber, okay?«
Er nickte stumm, und ich ging unter die Dusche. Als ich zurückkehrte, lag er in seinem kurzen Pyjama auf dem Bett und schnarchte wie ein Bär. Die Schenkel hatte er so angewinkelt, dass sein Piepmatz zu einem Hosenbein halb heraushing, doch schienen bei mir sämtliche erotischen Gefühle erloschen. Das war öfters der Fall, wenn ich für jemanden grenzenlose Zuneigung empfand. Liebe in ihrer reinsten und edelsten Form.
Weil zur halb offenstehenden Balkontür in der Nacht recht kühle Luft hereinströmte, deckte ich Hartmut zu und legte mich dann ins Bett. Erst konnte ich nicht einschlafen, fuhren meine Gedanken Karussell. Dann versank ich in einen herrlichen Schlummer. Nur zwei Meter entfernt schlief meine Lebensversicherung, die Gewähr dafür, dass es sich lohnte, weiterzuleben. Ich wusste, ich würde nie einen Schwulen aus ihm machen können und nahm mir deshalb vor, ihm nicht zu nahe zu treten. Unsere Freundschaft sollte nicht durch ein Opfer seinerseits belastet werden. Die Gewissheit, dass er mir gehören würde, wenn ich es wollte, musste mir genügen. Es war das schönste Geschenk, das ich jemals erhalten hatte.
Am anderen Morgen wiederholte er sein Angebot: »Nicht, dass du denkst, ich hätte im Suff nur so dahergeredet. Ich meine es ernst.«
»Ich weiß. Und ich bin froh, dass die Heuchelei ein Ende hat.«
Ich habe im Bus meine Pfeife angezündet und schaue aus dem Fenster auf die vorbeiziehende Landschaft. Die Frage drängt sich auf, ob ich nach dem Erfolg dieses unfreiwilligen Coming-out weitermachen und von mir aus das heikle Thema anschneiden soll. Bei meinen anderen Freunden zum Beispiel, die noch nicht Bescheid wissen oder bei meinen Eltern. Sicher werden nicht alle so tolerant sein wie Hartmut. Einige werden nichts mehr mit mir zu tun haben wollen, da bin ich sicher.
Hartmut erwacht und reibt sich die Augen, schaut mich an, als wäre ich ein Wesen von einem anderen Stern.
»Ich hab’ dich als Kissen benutzt, entschuldige.«
»Hast du Love Story nicht gelesen? Lieben heißt, nie um Verzeihung bitten zu müssen ...«
Hartmut lacht und spitzt die Lippen zu einem Schmatz: »Samstag in acht Tagen!«
Wir lachen beide, dabei ist mir nicht zum Spaßen zumute. In ungefähr einer Stunde werden wir zuhause sein, dann trennen sich unsere Wege. Ich hasse solche Abschiedsstimmungen, würde am liebsten losheulen. Am Abend werde ich wieder allein sein. Dabei weiß ich fast nicht mehr, wie es ist, ohne ihn. Nur zwei Nächte haben wir zusammen verbracht, jeder brav in seinem Bett, wie es sich gehört, und doch habe ich mich bereits an unser Zusammenleben gewöhnt. Wir hatten uns auch rasch aufeinander eingestellt. Es gab keine Probleme damit, wer als Erster unter die Dusche ging oder dass einer den Schlaf des anderen gestört hätte. Wenn einer schnarchte, ließ der andere ein Kopfkissen durch die Luft sausen und schon herrschte wieder Ruhe.
Schon beim Frühstück verbreitete Hartmut gute Laune, riss Witze und ließ dumme Sprüche vom Stapel, während die Alten sich kaum trauten, in ihre knusprigen Brötchen zu beißen, aus Angst, das Geräusch könnte jemanden stören. An seiner Seite war ich im Außen- und im Verteidigungsministerium, im Bundespresseamt, in der Bonner Abteilung Personenschutz des Bundeskriminalamts, in beiden Kammern des Parlaments und auf dem Langen Eugen . Gemeinsam rüttelten wir am Tor des Bundeskanzleramts und riefen: »Helmut, komm’ raus, du Feigling!« Solange, bis uns ein schwerbewaffneter Bulle vertrieb. Damals regierte noch der andere Helmut dort, der mit der Schnauze, und wir fragten uns, als wir aufbrachen, ob unsere Funkbilder wohl schon beim BKA ausgewertet wurden.
Was gibt es Schöneres auf Erden, als Politiker zu werden? An diesen Vers von Reinhard Mey dachte ich beim Anblick der vielen feinen Herren im dunklen Nadelstreifen, die auf Gängen und Fluren herumstanden und deren Hauptbeschäftigung es schien, herumzuquatschen und Gerüchte zu verbreiten. Wahrscheinlich
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