Die Hand am Sack: schwule erotische Geschichten (German Edition)
Gestrüpp blinkt ein goldenes Kettchen. Ich weiß, dass er sein Sternzeichen daran trägt, den Skorpion. Dabei denke ich an seinen Stachel und muss unwillkürlich grinsen. Die Hemdsärmel hat er bis zu den Ellbogen hochgekrempelt und seine dicht behaarten Arme, die er über dem Bauch verschränkt hat, bewegen sich im sanften Atemrhythmus auf und ab.
Die dunkelblaue Jeans, die er anhat, spannt sich eng um seine schmalen Hüften, doch an der bewussten Stelle zeichnet sich kaum ein Relief ab. Macht nichts. Ich liebe ihn trotzdem oder gerade deshalb. Ich liebe ihn mehr als mich selbst und alles auf der Welt, so sehr, dass es wehtut. Er bewegt sich plötzlich, verlagert sein Gewicht etwas und streckt das linke Bein in den Mittelgang hinaus, während er das andere weiter anwinkelt. Seine Füße in den grauen Baumwollsocken stecken in luftigen Sandalen. Er hat mir einmal erzählt, dass er meistens offene Schuhe trägt, um keine Schweißfüße zu bekommen. Ich merke mir alles was er sagt.
Während im Radio eine Instrumentalversion von Gingliola Chinquetti’s Hit Si gespielt wird, vergehe ich fast vor Liebe. Mit einem Kerl wie ihm zusammenzuleben, würde mich zum glücklichsten Menschen der Welt machen. Dabei stünde nicht einmal der erotische Moment im Vordergrund. Wie die Geigen Mantovanis aus den Lautsprechern der Stereoanlage würde ich zu allem seinem Tun ja sagen. Bis jetzt weiß ich nicht, wie es sich anfühlt, wenn man glücklich ist.
Als er mit dem Vorschlag kam, für drei Tage nach Bonn zu reisen, war ich sofort einverstanden. Seine Freundin hatte uns die Einladungen von ihrem Vater besorgt, der aktiv beim Ortsverband der Partei arbeitete, und ich hatte natürlich angenommen, dass sie auch mitkommen würde. Sie hatte jedoch schon einmal an einer solchen Fahrt teilgenommen und musste sich außerdem auf ihr Examen vorbereiten.
Also, Hartmut und ich allein, das war eine freudige Überraschung, wenngleich ich mir nichts davon versprechen konnte. Wir bekamen sogar ein Doppelzimmer, leider mit getrennt aufgestellten Betten. Das Hotel lag etwas außerhalb von Bonn, direkt am Rhein. Im ganzen Haus roch es etwas modrig nach Schimmel und Feuchtigkeit. Unser Zimmer hatte einen Balkon zur Flussseite hin, mit Ausblick auf ein Zementwerk am gegenüberliegenden Flussufer. Das war aber nicht tragisch, denn uns würde kaum Zeit für Mußestunden auf dem Balkon bleiben. Schließlich waren wir nicht zu unserem Vergnügen hier und hatten ein volles Programm.
Noch am Tag unserer Ankunft war ein Besuch im Bundestag vorgesehen. Unterwegs hatten sich einige der älteren Reiseteilnehmer darüber beschwert, dass ich im Bus gelegentlich Pfeife rauchte. Von denen, die am laufenden Band Zigaretten qualmten, wollte niemand etwas. Hartmut reagierte sofort und kaufte sich, obwohl er eigentlich Nichtraucher war, an einem Kiosk eine Schachtel Zigarren, die pafften wir so lange, bis mich der Busfahrer inständig bat, wieder auf meinen aromatischen Plumcake umzusteigen. Hartmut grinste nur. Das war seine Art, Freundschaft zu bekunden. Ich hatte außer meinen drei Pfeifen für unterwegs noch eine für ihn mitgenommen, weil ich wusste, dass er sich, wenn wir abends beim Wein saßen, gelegentlich eine von mir ausborgte.
Im Bundestag standen wir dann tief beeindruckt vor dem Saal, den unser Volk seinen Vertretern errichtet hatte. Welch’ große Geister hatten darin gewirkt, Vollblutpolitiker wie Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Theodor Heuss und Carlo Schmid. Was für kümmerliche Gestalten beherrschten dagegen später die Debatten in diesem Haus und zerredeten alles so lange, bis nichts mehr von der Wahrheit übrig blieb.
Ich fragte mich, ob wohl auch einige Homosexuelle auf den Bänken des Hohen Hauses saßen und ob jemals einer offen auftreten und sich für unsere Interessen einsetzen würde. Vielleicht kam sogar eines Tages einmal einer auf die Regierungsbank, der keinen Hehl daraus machte, dass er schwul war. Bis dahin floss sicher noch viel Wasser den Rhein hinunter. Während ich so in Gedanken versunken auf der Zuschauertribüne saß und in den leeren Saal hinunterblickte, ohne den Ausführungen des Reiseleiters zu folgen, merkte ich plötzlich, dass Hartmut mich beobachtete. Als ich zu ihm hinübersah, lächelte er wissend.
Nach dem Abendessen saßen die jüngeren Mitglieder der Reisegruppe noch mit dem persönlichen Referenten des Abgeordneten bei ein paar Flaschen Wein zusammen. Später auf unserem Zimmer ging Hartmut als Erster unter
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