Die Hand die damals meine hielt - Roman
eine Schauspielerin zu interviewen. Sie nimmt Theo zu dem Termin mit. Die Schauspielerin ist entzückt; Theo krabbelt unter ihr Sofa, jagt ihre Katze. Dann schleppt er einen Schuh der Schauspielerin an, dessen Riemchen er angekaut hat. Plötzlich ist die Dame nicht mehr ganz so entzückt. Lexie kauft von ihrem Honorar einen Sportkinderwagen. Er hat rote und weiße Streifen. Theo rutscht darin ganz nach vorne, hält sich an seinen Knien fest und lehnt sich in die Kurven. Eine Nachbarin, Mrs. Gallo, ist bereit, Theo ein paar Tage in der Woche zu hüten. Sie stammt aus Ligurien und hat acht Kinder großgezogen. Sie nimmt Theo auf den Schoß, nennt ihn »angelino«, zwickt ihn in die Bäckchen und sagt: »Möge Gott ihn beschützen.« Und Lexie fängt wieder an, in der Redaktion zu arbeiten, um ein Einkommen zu haben und an ihr altes Leben wieder anzuknüpfen. Obwohl ihre Kollegen wissen, warum sie eine Zeitlang gefehlt hat, erwähnt kaum einer von ihnen das Kind, als ob es sich nicht gehöre,
in dem lauten, konzentrierten Getriebe der Zeitung über so etwas zu sprechen. Wenn sie morgens das Haus verlässt, hat sie das Gefühl, dass zwischen ihr und ihrem Sohn ein Faden gespannt ist, der sich, während sie durch die Straßen geht, Stück um Stück abspult. Am Ende des Tages kommt es ihr so vor, als hätte sich der Faden vollkommen aufgelöst. Fast wahnsinnig vor Sehnsucht nach ihrem Kind, treibt sie die U-Bahn an, noch rasanter durch den Tunnel zu rattern und die Schienen entlangzurasen, um sie möglichst schnell zu ihm zurückzubringen. Wenn sie wieder bei ihm ist, dauert es eine Weile, bis der Faden wiederhergestellt ist und genau die richtige Länge hat - ungefähr einen halben Meter, dann ist sie beruhigt. Sobald Theo abends eingeschlafen ist, setzt sie sich an den Schreibtisch und beendet die Arbeiten, die sie tagsüber nicht geschafft hat. Manchmal denkt sie, dass das Klappern der Schreibmaschine, das sich in Theos Träume schleicht, für ihn so etwas wie ein Schlaflied sein muss.
Als Theo anfängt, sich an den Stuhlbeinen hochzuziehen, als er anfängt zu laufen und Sachen vom Tisch zu reißen, als er die Schreibmaschine auf sich kippt und sich dabei fast umbringt, fasst Lexie einen Entschluss.
»Ich muss umziehen«, sagte sie zu Laurence.
Laurence beobachtete interessiert, wie Theo unter lautem Geschepper einen Küchenschrank ausräumte.
»Unglaublich«, bemerkte er, »dass so etwas Simples so viel Spaß machen kann. Da möchte man glatt wieder ein Kleinkind sein.« Er wandte sich ihr zu. »Du musst umziehen? Warum? Setzt dich dein Vermieter vor die Tür?«
»Nein.« Lexie sah sich um. Zugegeben, der Raum war
nicht klein, aber er enthielt ihr Bett und Theos Bettchen, das Sofa, einen Laufstall und den Schreibtisch, an dem sie nachts arbeitete. Laurence folgte ihrem Blick.
»Verstehe«, meinte er. »Aber wo willst du hin?«
Theo ließ ein Sieb fallen, das klappernd auf dem Fußboden landete. »Ha«, sagte er. »Ha.« Er bückte sich danach. Laurence schnitt sich ein zweites Stück Kuchen ab. Lexie sah zu, wie ihr Sohn das Sieb noch einmal auf den Boden schleuderte. Wie lieb er aussah in seinem grünen Frotteeanzug und mit seinem herzförmigen Haaransatz.
»Ich dachte … Ich habe mir überlegt …« begann sie, »dass ich vielleicht … etwas kaufen sollte.«
Laurence verschluckte sich. »Hast du im Fußballtoto gewonnen?«
»Schön wär’s.«
»Zahlt Theos Erzeuger?«
»Auf keinen Fall. Eine solche Summe würde ich nie von ihm annehmen.«
Laurence runzelte die Stirn. »Schön dumm. Und wie willst du …« Er stellte seinen Kuchenteller hin. »A- ha !«, sagte er. Unter anderen Umständen hätte Lexie vielleicht gelächelt. Das war etwas, das sie besonders an ihm mochte: seine blitzschnelle Auffassungsgabe.
Sie sahen sich einen Augenblick an, dann drehten sie sich wie auf Kommando gleichzeitig zur Wand. Der Pollock, der Bacon, der Freud, der Klein, der Giacometti. Lexie schlug die Hände vors Gesicht und ließ sich aufs Sofa sinken.
»Ich glaube, ich kann das nicht«, sagte sie.
»Es wird dir nicht viel anderes übrig bleiben. Entweder du bittest Theos Erzeuger, dass er dir ein Scheibchen von seinem Vermögen abschneidet …«
»Ausgeschlossen.«
»Oder du verkauft Theo an Menschenhändler.«
»Ebenfalls ausgeschlossen.«
»Oder du trennst dich von einem Bild.«
»Aber ich will nicht«, stöhnte sie. »Ich kann nicht.«
Laurence stand auf. »Wenn es dir ein Trost ist«, sagte er, während er
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