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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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bestimmt nicht?«
    »Wen?«
    »Felix.« Lexie trommelt ihm auf die Brust. »Stell dich nicht blöder, als du bist. Die Frau da, gerade. Kennst du sie?«
    »Nein, das sag ich doch. Ich hab sie noch nie im Leben gesehen.«
    »Aber warum hast du sie dann …«
    Felix umfasst ihr Gesicht. »Was soll eigentlich das ganze Palaver?«
    »Du musst mir versprechen …« Lexie bricht ab. Sie weiß nicht, was für ein Versprechen sie ihm abnehmen soll, aber irgendetwas beunruhigt sie. Sie denkt an Margot und ihren Minirock, an ihr träges Lächeln und ihr dünnes, blond gefärbtes Haar. Wie sie Felix angesehen hat, mit einem Hauch von Schadenfreude. Erst nehmen Sie mir meinen Vater weg. » Du musst mir versprechen … Ich weiß auch nicht. Versprich mir, dass du, wenn du sie jemals wiedersiehst, nicht hallo zu ihr sagst. Dass du die Finger von ihr lässt.«
    »Um Himmels willen, Lexie, was …«
    »Versprich es mir!«
    Er lächelt zu ihr hinunter. »Ich verspreche es, wenn du mich heiratest.«
    »Felix, es ist mir bitterernst. Sie ist … Sie ist … Versprich es mir einfach, bitte.«
    »Okay, okay.« Er gibt gereizt nach. »Versprochen. Also, was ist, sehen wir uns heute Abend?«

    Lexie hockt umringt von ihren Notizen im Schneidersitz auf dem Bett, dem einzigen Ort, wo sie noch einigermaßen bequem arbeiten kann. Sie ist im neunten Monat, und bis in die Redaktion ist es ihr inzwischen zu weit. Bevor sie sich
schlafen legt, will sie unbedingt noch diesen Artikel über das italienische Kino fertigschreiben.
    Sie nimmt den Bleistift hinter ihrem Ohr hervor und greift nach einem Blatt Papier, das links von ihr liegt; der Stift rutscht ihr aus den Fingern, rollt über die Bettdecke und fällt auf den Boden. Am liebsten würde sie ihn liegen lassen, aber sie hat keinen anderen. Sie hebt sich die Schreibmaschine vom Schoß, wühlt sich durch ihre Notizen, lässt sich auf alle viere nieder und sieht unter das Bett.
    Keine Spur von dem Stift. Sie krabbelt zum Nachttisch und lugt auch darunter. Dabei durchfährt sie auf einmal ein reißendes Gefühl in der Magengrube. Der Stift ist vergessen; Lexie richtet sich auf. Der Schmerz verschwindet so schnell, wie er gekommen ist. Sie setzt sich wieder aufs Bett und liest sich durch, was sie geschrieben hat. Gegen Ende des Artikels kommt das Gefühl wieder zurück. Lexie sieht auf ihren Bauch und runzelt die Stirn. Es kann nicht sein, es kann einfach nicht sein. Es ist noch viel zu früh. Sie muss morgen ein Interview führen - mit einem politischen Aktivisten, hinter dem sie schon seit Monaten her ist -, und bis Ende der Woche muss sie einen Leitartikel schreiben. Das Gefühl kommt wieder, stärker diesmal. Fluchend knallt Lexie die Blätter aufs Bett. Das darf einfach nicht wahr sein. Sie stapft in die Küche, um sich eine Tasse Tee zu machen, und als sie den Kessel volllaufen lässt, spürt sie die Kontraktion der nächsten Wehe - ein kleiner Stoß, wie wenn man zu schnell über eine Buckelbrücke fährt oder im Meer durch eine Welle schwimmt.
    »Hör mal«, sagt sie laut. »Das kannst du vergessen. Du musst noch warten. Du kannst noch nicht raus. Hast du verstanden?«
    Während sie den Tee trinkt, sieht sie sich die Bilder an -
den Bacon, den Pollock, die Hepworth, die Freuds. Sie bürstet sich die Haare. Sie putzt ihre Zähne, und als sie ausspuckt, werden die Stöße zu Krämpfen, als ob sich eine Faust ballt, als ob ein Stoffbeutel zu stramm geschnürt wird.
    Sie greift zum Telefon und ruft ein Taxi. »Zum Royal Free Hosp…« Das Wort reißt ab; sie bringt nur noch ein »Au« hervor.
    Als sie sich auf der Entbindungsstation einfindet, wird es draußen dunkel.
    »Passen Sie auf«, sagt sie zu der Schwester am Empfang. »Es ist noch viel zu früh dafür. Ich habe diese Woche noch einen ganzen Berg Arbeit zu erledigen. Können Sie nicht irgendetwas machen, dass es aufhört?«
    »Das was aufhört?«, fragt die Schwester verblüfft.
    »Das hier.« Lexie zeigt auf ihren Bauch. Ist die Frau ein bisschen schwer von Begriff? »Es ist zu früh. Es darf jetzt noch nicht kommen.«
    Die Schwester sieht sie über ihre Brille hinweg an. »Mrs. Sinclair …«
    »Miss.«
    Schockierte Hebammen umringen sie. »Wo ist Ihr Mann?«, fragt die eine und blickt sich suchend um. »Sie sind doch wohl nicht allein gekommen?«
    »Doch«, sagt Lexie und lehnt sich auf die Theke. Die nächste Wehe ist im Anzug.
    »Wo ist Ihr Mann?«
    »Hab keinen.«
    »Aber Mrs. Sinclair, es …«
    »Miss«, verbessert sie erneut.

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