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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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offen auf den Tisch legen.« Er nimmt einen Stapel Visitenkarten vom Tisch und fängt an, sie zu mischen, als ob er Lexie zu einem Spiel einladen will. Er ist ein Könner, der die Karten surrend zwischen den Händen hin und her sausen lässt.
    Er legt eine Karte verdeckt auf die Tischplatte. »Punkt eins«, beginnt er. »Ich habe eine Frau. Ich hätte es Ihnen selbst gesagt, aber Daphne, die kleine Hexe, ist mir zuvorgekommen.
« Er hält einen Augenblick inne, dann fährt er mit beherrschter Stimme fort: »Ich habe Gloria geheiratet, als ich noch sehr jung war, so jung wie Sie jetzt. Es war während des Krieges, und es erschien mir damals als eine gute Idee. Gloria ist … Wie soll ich es ausdrücken, ohne ungalant zu klingen? Sie ist der schlimmste Alptraum, den man sich vorstellen kann. Bis dahin irgendwelche Fragen?«
    Lexie schüttelt den Kopf. Innes teilt die nächste Karte aus.
    »Punkt zwei«, sagt er. »Sie müssen wissen, dass es eine Tochter gibt. Sie trägt meinen Namen, mehr auch nicht.« Die dritte Karte landet auf dem Tisch. »Ich habe so gut wie kein Geld, und ich schlafe fast nie.« Eine vierte Karte gesellt sich zu den anderen. »Man sagt mir nach, dass ich zu viel arbeite.« Er legt die fünfte Karte ab, dicht neben Lexies Hand. »Ich bin vollkommen vernarrt in Sie, und zwar seit dem allerersten Augenblick. Was Ihnen möglicherweise nicht entgangen ist. Ich glaube, das Wort dafür ist liebestoll. Beziehungsweise Lexie-toll.«
    Sie sieht ihn an. Er zerwühlt sich die Haare, sein Hemdkragen hängt schief. »Ach ja?«, sagt sie.
    Er seufzt. »Ja.« Er legt eine Hand auf sein Herz. »Voll und ganz. Ja.«
    »Kann ich Sie etwas fragen?«
    »Alles.«
    »Haben Sie mit Daphne geschlafen?«
    »Ja«, antwortet er, wie aus der Pistole geschossen. »Sonst noch etwas?«
    »Waren Sie verliebt in sie?«
    »Nein. Und sie auch nicht in mich.«
    Lexie runzelt die Stirn. »Ich glaube fast, da täuschen Sie sich.«

    »Nein.« Er schüttelt den Kopf. »Daphne ist schon seit Jahren in Laurence verliebt. Aber Laurence ist anders gepolt. Er macht sich nichts aus Frauen.«
    Lexie sagt: »Und Amelia?«
    Eine kleine, verräterische Pause. »Wieso Amelia?«
    »Haben Sie mit ihr geschlafen?«
    Sein Gesicht verdüstert sich, dann nickt er. »Vor einer Ewigkeit.« Etwas aufgekratzter fügt er an: »Aber nur ein einziges Mal.«
    Lexie sammelt die Karten auf. Sie dreht sie um, sieht Innes’ Namen und denkt an eine dichte grüne Hecke, hunderte von Kilometern entfernt. Sie legt die Visitenkarten erst der Länge und dann der Breite nach aneinander. Innes zündet sich eine Zigarette an. Seine Hände zittern leicht. Sie blickt noch einmal auf die Karten.
    Sie legt eine auf den Tisch und die nächste schief darüber. Und auf einmal empfindet sie große Erleichterung darüber, dass sie im letzten Jahr mit einem Kommilitonen geschlafen hat. Jungfrau zu sein, war ihr immer als ein lästiger, wenig beneidenswerter Zustand erschienen, der schleunigst beendet gehörte. Sie hat den Jungen danach ausgesucht, dass er reinlich und witzig war und ein Auge auf sie geworfen hatte. Sie legt eine weitere Karte auf die letzte und noch eine und noch eine, ausgebreitet wie einen Fächer. Im Grunde haben sie beide nur ihre Neugierde befriedigen wollen. Es war ein kurzer Akt, ein Wühlen in und Zerren an Kleidern im hohen Gras einer feuchten Wiese. Sie erinnert sich, wie sie beide an der jeweils fremden Unterwäsche herumnestelten und wie sich ihre Haare in seinem Hemdknopf verfingen, an das letzten Endes gar nicht einmal so unangenehme Schaukeln und Schieben. Aber ihr Gefühl sagt ihr, dass es mit Innes völlig anders sein wird. Sie schiebt den Fächer
zusammen, so dass alle Karten akkurat unter der obersten liegen.
    »Passen Sie mal auf«, sagt er. Von seiner Zigarette fällt Asche auf den Schreibtisch. »Das war bis jetzt kein besonders erfreulicher Abend für Sie. Was müssen Sie nur von mir denken? Erst entführe ich Sie, dann lasse ich Sie in meiner Redaktion schuften wie einen Kuli, und zuletzt behellige ich Sie auch noch mit meiner schäbigen Vergangenheit. So etwas gehört sich einfach nicht. Und Sie müssen doch halb verhungert sein. Ich kenne da einen Club, wo es bestimmt auch einen Happen zu essen gibt. Oder wir holen uns unterwegs etwas. Was meinen Sie?«
    »Ich meine …« Sie betrachtet ihn nachdenklich. Er sieht mit einem Mal erbärmlich aus, die Haare zerwühlt, die Zigarette zum Stummel heruntergebrannt, den Blick nervös auf sie

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