Die Hand die damals meine hielt - Roman
recht sein«, sagt sie lässig.
In der elsewhere -Redaktion ist es ruhig. So ruhig, dass Lexie im ersten Augenblick denkt, sie wären allein. Doch dann marschiert Innes durch den engen Gang zwischen den Schreibtischen und fragt: »Kommt ihr voran?« Und als Lexie einen Schritt weitergeht, sieht sie drei Menschen - einen Mann und zwei Frauen -, die inmitten von Zeitschriftenstapeln und Kuverts auf dem Fußboden hocken. Innes kniet sich zu ihnen, greift sich ein Magazin, stopft es in einen Umschlag und wirft es auf einen Haufen.
»Um Himmels willen, Innes!«, ruft eine der Frauen und rauft sich - für Lexies Geschmack eine Spur zu melodramatisch - die Haare.
»Hierher.« Der Mann tippt auf einen anderen Haufen. »Die Fertigen kommen hierher. Daphne führt die Liste. Sie hat die beste Handschrift. Wir haben es verglichen, ihre war mit Abstand die lesbarste.«
Innes, der schon das nächste Heft verpackt hat, wirft es der anderen Frau zu, die Lexie den Rücken zudreht.
»Kann ich helfen?«, fragt Lexie.
Alles dreht sich nach ihr um. Daphne, die Frau mit der Liste, nimmt den Stift aus dem Mund.
»Leute, das ist Lexie«, sagt Innes und deutet auf sie. »Lexie, das sind meine Leute.«
Lexie hebt die Hand zum Gruß. »Hallo, Leute.«
Es entsteht eine kurze Pause. Der Mann räuspert sich; die Frau wirft Daphne einen raschen Blick zu. Lexie zieht
die Jacke ihrer Livree gerade und streicht sich die Haare aus dem Gesicht.
»Kommen Sie, setzen Sie sich her.« Innes klopft auf den Platz neben sich. »Sie können mir beim Eintüten helfen, doch nur, wenn Sie wollen. Lexie ist nämlich die Sklavin einer Kaufhausmaschinerie«, erläutert er den anderen. »Wir können zwar jede Hilfe gebrauchen, aber wir wollen sie natürlich nicht knechten.«
Lexie und Innes kuvertieren die Zeitschriften, Daphne adressiert sie anhand ihrer Liste. Der Mann, der Laurence heißt, f rankiert sie. Die andere Frau, Amelia, versorgt sie mit Nachschub an Heften und Umschlägen, kocht Tee für alle, holt das Tintenfass, als Daphnes Füller leer ist. Innes erzählt eine Anekdote über einen Galeristen, mit dem er am Vortag zum Lunch verabredet war, und dass sich der Mann seit ihrer letzten Begegnung die Haare gefärbt hat. Laurence erkundigt sich bei Lexie über ihre Arbeit und ihre Unterkunft. Innes beschreibt ihnen, wie Lexie wohnt, und sagt, die Pension sei wie aus einem Roman von Colette entsprungen. Laurence und Amelia kabbeln sich wegen einer Ausstellung in Paris. Daphne wirft ein, sie hätten beide keine Ahnung. Da es einer der wenigen Sätze ist, die sie überhaupt von sich gibt, nutzt Lexie die Gelegenheit, sie verstohlen zu mustern: eine zierliche Frau mit akkurat geschnittenem, dunklem Haar, die ein langes, locker geschnittenes Dirndl trägt. Sie dreht den Kopf und bemerkt, dass Lexie sie beobachtet.
Als alle Umschläge adressiert und alle Briefmarken aufgeklebt sind, steckt Laurence die ganze Lieferung in einen großen Postsack. Dann streift er sich seine Fahrradklammern über, winkt noch einmal in die Runde und bricht auf. Amelia wird von ihrem Freund abgeholt. Lexie und Innes sehen schweigend zu, wie Daphne umständlich ihre Sachen
zusammensucht, sich den Mantel anzieht, sich mit dem Kamm durch die Haare fährt. Lexie starrt auf das verdreckte blaue Blumenmuster des Teppichs. Kurz vor dem Hinausgehen dreht sich Daphne in der Tür noch einmal um.
»Ach, übrigens, Innes«, sagt sie mit einem dünnen Lächeln. »Deine Frau hat heute angerufen.«
Innes lässt sich keine Gefühlsregung anmerken. Er blättert in einem Ordner. »Danke, Daphne«, sagt er, ohne aufzublicken.
Daphne geht einen Schritt weiter ins Licht. »Ich wollte es dir eigentlich schon früher sagen.« Sie reckt das Kinn vor. »Aber dann hab’ ich es vergessen. Sie möchte, dass du sie zurückrufst.«
»So, so.« Er blättert weiter. »Also dann, gute Nacht. Und wie immer: danke für deine tatkräftige Hilfe.«
Mit wehendem Mantel geht sie endgültig hinaus. Innes stellt den Ordner wieder ins Regal. Er streicht mit dem Finger über den Kaminsims, setzt sich hin, steht wieder auf. Lexie sitzt auf ihrem Stuhl, die Beine übereinandergeschlagen, die Hände im Schoß, und rührt sich nicht. Sie starrt auf die blauen Blumen, die sich wie von selbst bewegen, bebende Blütenblätter und Staubgefäße auf grauem Grund.
Sie merkt, dass Innes sich ihr gegenübersetzt, einen Schreibtisch als Barriere zwischen ihnen.
»Also«, sagt er leise, »dann wollen wir mal die Karten
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