Die Hand die damals meine hielt - Roman
war.
Er war tot.
Die beiden Krankenschwestern verschwammen ihr vor den Augen. »Danke«, sagte sie, fest entschlossen, nicht die Beherrschung zu verlieren und sich zusammenzunehmen, bis sie draußen war. Sie konnte die Tür zu seinem Zimmer nicht ansehen, konnte nicht zu dem Bett sehen, in dem er gelegen hatte, in dem sie noch vor wenigen Stunden mit ihm gelegen hatte, und in dem er gestorben war, ohne sie. Sie stemmte sich gegen die Krankenhausluft, kämpfte sich den Gang entlang bis zum Ausgang und trat hinaus in die Stadt - allein.
ZWEITER TEIL
L exie rauscht die Piccadilly entlang, eine Tasche über dem Arm. Felix segelt in ihrem Kielwasser hinter ihr her. Mit ihrer großen Sonnenbrille und dem sensationell kurzen Mantel zieht Lexie die Blicke der Passanten etwas stärker auf sich, als es ihm vielleicht lieb ist. Am Eingang zum Green Park holt er sie ein, fasst sie am Arm und hält sie fest. »Und?«, fragt er.
»Und was?«
»Kommst du jetzt mit nach Paris oder nicht?«
Sie rückt den Kragen ihres Mantels zurecht - es ist wirklich zu viel des Guten, dieses Teil mit den schwarz-weißen Schnörkeln, von dem ihm die Augen wehtun; wo findet sie bloß immer solche Sachen? - und wirft ihre Haare nach hinten. »Ich hab’ mich noch nicht entschieden«, antwortet sie.
Felix atmet tief durch. Er hat noch nie eine Frau gekannt, die ihn derartig rasend machen konnte.
»Hast du mir denn überhaupt nicht zugehört?«
»Ich geb dir Bescheid«, sagt sie, und ihre Sonnenbrille blitzt, als sie den Kopf wegdreht.
Am liebsten würde er sie schütteln, ihr eine Ohrfeige verpassen. Aber sie würde garantiert zurückschlagen, und dafür ist sein Gesicht fast schon zu bekannt. Das merkt er an den verstohlenen Blicken, mit denen ihn die Leute auf der Straße
ansehen. Ein Handgemenge in der Öffentlichkeit kann er sich wirklich nicht leisten.
»Liebling.« Er will sie an sich ziehen, doch sie hat sich schon wieder von ihm losgemacht. »Natürlich möchte ich nicht, dass du in irgendwelche Tumulte verwickelt wirst. Aber wenn du mit mir hinfährst, kann dir nichts passieren. Und ich könnte dich ein paar Leuten vorstellen. Den richtigen Leuten. Vielleicht wird es allmählich Zeit.«
»Zeit? Wofür?«
Felix macht eine ausholende Handbewegung. Er weiß selbst nicht genau, worauf er hinauswill. »Dass du deinen Horizont ein bisschen erweiterst. Rein beruflich gesprochen.«
»Ich habe nicht das Bedürfnis, meinen Horizont zu erweitern«, blafft sie. »Was das auch immer heißen soll.«
Er seufzt. »Ich meine doch bloß, du musst nicht wegen der Arbeit mitkommen. Du könntest einfach so mitkommen.«
Sie sieht ihn an, und ihre Sonnenbrille funkelt. »Was soll das heißen?«
»Dass du mich … begleitest.«
»In welcher Funktion?«
»Als meine …« Ihm ist klar, dass er sich auf dünnem Eis bewegt, aber irgendetwas zwingt ihn weiter. »Ich kann dich als meine Sekretärin eintragen, das wäre kein Problem, das machen viele so und …«
» Deine Sekretärin?« Wieder ernten sie neugierige Blicke. Wissen diese Menschen, wer er ist? Schwer zu sagen. »Bildest du dir im Ernst ein, dass ich da mitmache, dass ich alles stehen und liegen lasse, um …«
»Schon gut, schon gut«, fällt er ihr beschwichtigend ins Wort, auch wenn Lexie nicht der Typ ist, der sich beschwichtigen
lässt. »Dann eben nicht als meine Sekretärin. Das war eine Schnapsidee. Aber vielleicht als meine …«
»Felix«, sagt sie. »Ich komme nicht als deine Irgendwas mit nach Paris. Wenn ich hinfahre, dann als Journalistin. Unabhängig von dir.«
»Das heißt, du fährst möglicherweise doch?«
»Möglicherweise.« Sie zuckt mit den Schultern. »Heute Morgen hat mich jemand aus der Nachrichtenredaktion gefragt, wie gut mein Französisch ist. Sie wollen Geschichten von hinter der Front, Interviews mit ganz normalen Parisern. Solchen Kram. Und natürlich fiel auch zweimal der Ausdruck ›weibliche Note‹.«
»Tatsächlich?« Felix versucht sich nicht anmerken zu lassen, wie froh er ist - und wie erleichtert. »Dann wirst du also nicht auf den Barrikaden zu finden sein?«
Sie nimmt die Brille ab und betrachtet ihn aus zusammengekniffenen Augen. Obwohl sie sich schon seit dem Mittagessen in den Haaren liegen, überkommt es Felix. Er kann sich nicht helfen, in seinen Lenden regt sich etwas. »Ich werde da zu finden sein, wo der Normalpariser ist. Was in einem Ausnahmezustand wie diesem überall sein kann, also auch auf den Barrikaden.«
Felix überlegt,
Weitere Kostenlose Bücher