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Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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Projektil aus einer Waffe. »Warum willst du das nicht begreifen?«
    »Nein, David«, antwortete sie ruhig, »du warst Polizist. Jetzt bist du keiner mehr. Du musst nicht dort sein.«
    »Ich bin aber schon hier.« In der folgenden Stille verebbte sein Zorn wie eine Welle. »Schon gut. Ich weiß, was ich tue. Es wird nichts Schlimmes passieren.«
    »David, was ist eigentlich mit dir los? Willst du immer weiter den Kugeln nachjagen? Willst du ihnen nachjagen, bis du eine in den Kopf kriegst? Ist es das? Ist das dein jämmerlicher Plan für den Rest unseres gemeinsamen Lebens? Und ich kann immer nur warten, warten, warten, bis es dich irgendwann erwischt?« Beim letzten Wort brach ihr die Stimme.
    Er war völlig sprachlos.
    Schließlich war es Madeleine, die weitersprach - so leise, dass er sie kaum hören konnte. »Worum geht es hier eigentlich?«
    »Worum es geht?« Er hatte das Gefühl, dass der Boden unter ihm wankte. »Ich versteh die Frage nicht.«
    Ihr intensives Schweigen aus hundertfünfzig Kilometern Entfernung schien ihn einzukreisen und zu bedrängen.
    »Was meinst du damit?« Er merkte, wie sein Herzschlag schneller wurde.
    Er glaubte, ein Schlucken am anderen Ende zu hören. Er spürte, wusste irgendwie, dass sie dabei war, eine Entscheidung zu treffen.

    Als sie antwortete, war es wieder eine Frage, leise wie ein Windhauch. »Geht es um Danny?«
    Im Hals, im Kopf, in den Händen - überall fühlte er das Pochen seines Herzens. »Was? Was soll das mit Danny zu tun haben?« Aber eigentlich wollte er nichts hören, nicht gerade jetzt, da so viel zu erledigen war.
    »Ach, David.« Er konnte sich vorstellen, wie sie den Kopf schüttelte, entschlossen, bei diesem schwierigsten aller Themen zu bleiben. Wenn Madeleine eine Tür erst mal geöffnet hatte, schritt sie auch hindurch.
    Nach einem zittrigen Atemzug fuhr sie fort. »Vor Dannys Tod war die Arbeit das Wichtigste in deinem Leben. Danach war sie das Einzige. Das Einzige. In den letzten fünfzehn Jahren hast du nur noch gearbeitet. Manchmal hab ich das Gefühl, du willst etwas wettmachen, etwas vergessen … etwas lösen. « In ihrer gequälten Betonung klang das Wort wie ein Krankheitssymptom.
    Um nicht völlig das Gleichgewicht zu verlieren, klammerte er sich an die Fakten. »Ich fahre nach Wycherly, um mitzuhelfen, damit Mark Mellerys Mörder gefasst wird.« Seine Stimme war wie die eines Fremden - alt, verängstigt, starr.
    Ohne auf seine Worte zu achten, folgte sie ihrem eigenen Gedankengang. »Ich hatte gehofft, wenn wir die Schachtel aufmachen und uns die Zeichnungen anschauen … und uns dann zusammen von ihm verabschieden können. Aber du verabschiedest dich nicht. Du verabschiedest dich nie von irgendwas.«
    »Ich weiß nicht, wovon du redest«, protestierte er. Aber das stimmte nicht. Vor ihrem Umzug aus der Stadt nach Walnut Crossing hatte Madeleine stundenlang Abschied genommen. Nicht nur von den Nachbarn, sondern von dem Ort, von Dingen, die sie zurückließen, von Zimmerpflanzen.
Das war ihm an die Nieren gegangen. Er hatte sich über ihre Sentimentalität beklagt und erklärt, dass es komisch war, mit unbelebten Gegenständen zu sprechen, Zeitverschwendung, eine leere Geste, die ihnen den Aufbruch erschwerte. Aber es war mehr als das. Ihr Verhalten berührte etwas in ihm, das er nicht berührt haben wollte - und jetzt hatte sie wieder den Finger auf diese wunde Stelle gelegt: den Teil von ihm, der sich nicht verabschieden wollte, der sich keiner Trennung stellen konnte.
    Sie war noch nicht fertig. »Du stopfst die Dinge irgendwohin, wo du sie nicht mehr siehst. Aber sie sind nicht weg, du hast sie nicht losgelassen. Du musst sie anschauen, um sie loslassen zu können. Du musst dich mit Dannys Leben befassen, erst dann kannst du es loslassen. Doch das willst du offenbar nicht. Du willst nur … was, David? Was? Sterben? « Langes Schweigen. »Du willst sterben, ist es nicht so?«
    Es war, als stünde er im Auge eines Hurrikans: er empfand ein Gefühl der absoluten Leere.
    »Ich muss eine Aufgabe erledigen.« Es war eine banale, dumme Bemerkung. Er wusste nicht einmal, warum er sich die Mühe machte, sie auszusprechen.
    Wieder herrschte Stille.
    »Nein.« Erneut schluckte sie. »Du musst nicht immer weiter solche Aufgaben erledigen.« Dann fügte sie verzweifelt und kaum hörbar hinzu: »Oder vielleicht doch. Vielleicht hab ich mir nur falsche Hoffnungen gemacht.«
    Er war nicht fähig, ein Wort zu sagen oder auch nur einen Gedanken zu

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