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Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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entfernt, den Mörder zu identifizieren und zu fassen, wie an dem Morgen, als ihm Mark Mellery die ersten bestürzenden Briefe gebracht und ihn um Hilfe gebeten hatte.
    Die Anspannung in Nardos Gesicht löste sich ein wenig.
»Wir hatten noch nie einen Mord in Wycherly. Zumindest keinen richtigen. Zwei Totschlagsurteile, zwei fahrlässige Tötungen mit dem Auto, ein fragwürdiger Jagdunfall. Kein einziges Tötungsdelikt, bei dem nicht mindestens ein vollkommen besoffenes Arschloch im Spiel war. Zumindest nicht in den letzten vierundzwanzig Jahren.«
    »So lang sind Sie schon dabei?«
    »Ja. Der Einzige in der Dienststelle, der es schon länger macht als ich, ist … war Gary. Bei ihm waren es fast fünfundzwanzig Jahre. Seine Frau wollte, dass er nach zwanzig aufhört, aber er hat sich gedacht, er bleibt noch fünf … Verdammt!« Nardo wischte sich über die Augen. »Bei uns sterben nicht viele im Dienst.«
    Gurney war versucht zu sagen, dass er wusste, wie es war, einen Kollegen zu verlieren. Zwei waren bei einer schiefgelaufenen Verhaftung ums Leben gekommen. Doch er zog es vor, nur mitfühlend zu nicken.
    Nach ungefähr einer Minute räusperte sich Nardo. »Sind Sie an einem Gespräch mit Dermott interessiert?«
    »Ja, sehr sogar. Ich möchte Ihnen bloß nicht in die Quere kommen.«
    »Keine Sorge«, blaffte Nardo, wahrscheinlich um seinen schwachen Moment auszugleichen. In normalerem Ton fügte er hinzu: »Sie haben doch am Telefon mit ihm geredet, oder?«
    »Ja.«
    »Er kennt Sie also schon.«
    »Ja.«
    »Dann muss ich nicht dabei sein. Erzählen Sie mir einfach alles, sobald Sie fertig sind.«
    »Wie Sie meinen, Lieutenant.«
    »Rechte Tür im ersten Stock. Viel Glück.«

    Während er die schlichte Eichentreppe hinaufstieg, fragte sich Gurney, ob die obere Etage mehr über die Persönlichkeit des Bewohners verraten würde als das Erdgeschoss, das in etwa so viel Wärme oder Flair ausstrahlte wie die darin aufgestellte Computerausrüstung. Auf dem Absatz am Ende der Stufen wurde das schon unten eingeführte Sicherheitsmotiv aufgegriffen: ein Feuerlöscher an der Wand, ein Rauchmelder und eine Sprinkleranlage an der Decke. Gurney hatte den Eindruck, dass Gregory Dermott lieber auf Nummer Sicher ging. Er klopfte an die Tür, die ihm Nardo genannt hatte.
    »Ja?« Die Antwort klang gequält, heiser, ungeduldig.
    »Sonderermittler Gurney, Mr. Dermott. Kann ich Sie kurz sprechen?«
    Pause. »Gurney?«
    »Dave Gurney. Wir haben miteinander telefoniert.«
    »Kommen Sie rein.«
    Gurney betrat ein mit teilweise geschlossenen Jalousien abgedunkeltes Zimmer. Das Mobiliar bestand aus einem Bett, einem Nachttisch, einer Kommode, einem Sessel und einem behelfsmäßigen Schreibtisch an der Wand mit einem Klappstuhl davor. Das Holz war einheitlich dunkel. Der Stil war modern, oberflächlich gehoben. Die graue Bettdecke und der hellbraune Teppich wirkten im Grunde farblos. Der Bewohner des Hauses saß in dem Sessel, der zur Tür gerichtet war. Er lehnte ein wenig schräg darin, als würde diese merkwürdige Haltung seine Beschwerden lindern. Sofern man hier von Persönlichkeit sprechen konnte, schätzte Gurney den Mann als Technikfreak ein, wie man ihn häufig in der Computerbranche antraf. Sein Alter war bei dem schlechten Licht weniger leicht einzuordnen. Irgendwo in den Dreißigern wohl.
    Nachdem er Gurneys Gesicht studiert hatte, als wollte
er darin die Antwort auf eine Frage finden, fragte er mit leiser Stimme: »Haben sie es Ihnen erzählt?«
    »Was erzählt?«
    »Das mit dem Anruf … von dem wahnsinnigen Mörder.«
    »Davon hab ich gehört. Wer ist ans Telefon gegangen?«
    »Ans Telefon gegangen? Ich vermute, einer der Polizeibeamten. Einer hat mich dann geholt.«
    »Hat der Anrufer namentlich nach Ihnen gefragt?«
    »Ich glaube schon … Ich weiß nicht … Ich meine, das muss er ja. Der Beamte hat gesagt, der Anruf ist für mich.«
    »War Ihnen die Stimme des Anrufers irgendwie vertraut?«
    »Sie war nicht normal.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Verrückt. Auf und nieder, hoch wie eine Frau, dann tief. Verrückter Akzent. Wie so ein grusliger Witz, aber auch ernst.« Er drückte die Fingerspitzen an die Schläfen. »Er hat gesagt, ich komme als Nächster dran, dann Sie.« Er wirkte eher wütend als verängstigt.
    »Gab es Hintergrundgeräusche?«
    »Was?«
    »Haben Sie außer der Stimme des Anrufers noch was anderes gehört: Musik, Verkehrslärm, andere Stimmen?«
    »Nein, nichts.«
    Gurney nickte und ließ den Blick

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