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Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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irgendwelche verdächtigen Gestalten bemerkt hatten. Paul - Mr. Plumstone - hat ihm mitgeteilt, dass wir niemand bemerkt hatten, und der Detective ist wieder gegangen.«
    »Er hat sie nicht um Auskünfte über Ihre Gäste gebeten?«
    »Die Vogelbeobachter? Nein, natürlich nicht.«
    »Natürlich nicht?«
    »Die Mutter ist Invalidin, und der Sohn hat sich zwar als Dieb entpuppt, aber er machte bestimmt keinen gewalttätigen oder gar blutrünstigen Eindruck.«
    »Wie würden Sie ihn beschreiben?«
    »Eher schmächtig. Ja, auf jeden Fall eher schmächtig und schüchtern.«
    »Meinen Sie, er ist homosexuell?«
    Wellstone wirkte nachdenklich. »Interessante Frage. Ich bin mir fast immer sicher, ob das eine oder andere, aber in diesem Fall nicht. Irgendwie hatte ich allerdings das Gefühl, dass er sich als schwul ausgeben wollte. Aber das ist doch völlig sinnlos, oder?«
    Außer das ganze Auftreten war gespielt , dachte Gurney. »Schmächtig und schüchtern, sagen Sie also. Fällt Ihnen sonst noch was zu ihm ein?«
    »Diebisch.«

    »Ich meine, was das Äußere betrifft.«
    Wellstone runzelte die Stirn. »Schnurrbart. Getönte Brille.«
    »Getönt?«
    »Wie eine Sonnenbrille, so dunkel, dass man seine Augen nicht erkennen konnte. Ich hasse es, mit jemandem zu reden, wenn ich seine Augen nicht sehe. Aber hell genug, dass er sie drinnen tragen konnte.«
    »Sonst?«
    »Wollmütze - so ein peruanisches Ding, tief ins Gesicht gezogen -, Schal, dicker Mantel.«
    »Wie sind Sie zu dem Schluss gekommen, dass er schmächtig ist?«
    Wellstone machte einen konsternierten Eindruck. »Seine Stimme? Sein Benehmen? Ehrlich gesagt, ich bin mir nicht sicher. Im Grunde hab ich nichts anderes gesehen als einen dicken, bauschigen Mantel, eine Mütze, eine Sonnenbrille und einen Schnurrbart.« Plötzlich riss er die Augen auf. »Meinen Sie, das war eine Verkleidung?«
    Sonnenbrille und Schnurrbart? Für Gurney hörte sich das eher nach der Parodie einer Verkleidung an. Doch selbst diese Einschätzung fügte sich in das bizarre Muster. Oder sah er schon Gespenster? Wie auch immer, wenn es eine Verkleidung war, so hatte sie ihren Zweck erfüllt, denn Wellstone konnte ihm keine brauchbare Personenbeschreibung geben. »Ist Ihnen noch etwas anderes an ihm in Erinnerung geblieben? Irgendwas?«
    »Völlig besessen von unseren kleinen gefiederten Freunden. Hatte ein riesiges Fernglas dabei - wie diese Infrarotapparate, mit denen die in Filmen immer rumkriechen. Hat seine Mutter im Cottage gelassen und war den ganzen Tag im Wald, um nach Kernknackern Ausschau zu halten - nach Rosenbrustkernknackern.«

    »Das hat er Ihnen erzählt?«
    »O ja.«
    »Das ist merkwürdig.«
    »Warum?«
    »Im Winter gibt es in den Catskills keine Rosenbrustkernknacker.«
    »Aber er hat sogar gesagt … verdammter Lügner!«
    »Was hat er sogar gesagt?«
    »Am Morgen vor der Abreise ist er ins Haupthaus gekommen und hat mir von diesen blöden Kernknackern vorgeschwärmt. Immer wieder hat er damit angefangen, dass er vier Rosenbrustkernknacker gesehen hat. Vier Rosenbrustkernknacker, das hat er mehrfach betont, als würde ich es anzweifeln.«
    »Vielleicht wollte er sichergehen, dass Sie sich daran erinnern«, sagte Gurney halb zu sich selbst.
    »Aber gerade haben Sie doch behauptet, dass er sie nicht gesehen haben kann, weil es keine gibt. Wieso soll ich mich an was erinnern, was nie passiert ist?«
    »Gute Frage, Sir. Kann ich jetzt vielleicht einen Blick in das Cottage werfen?«
    Vom Wohnzimmer aus führte ihn Wellstone in einen ebenfalls viktorianischen Speisesaal mit überladenen Eichenstühlen und Spiegeln. Durch eine Seitentür gelangten sie auf einen Weg, dessen perfekt cremefarbene Platten deutlich an die gelbe Backsteinstraße von Oz erinnerten. Der Weg endete vor einem Bilderbuch-Cottage, das trotz der Jahreszeit mit hellgrünem Efeu bedeckt war.
    Wellstone schloss auf und öffnete die Tür. Statt einzutreten, spähte Gurney von der Schwelle aus hinein. Der vordere Raum war teils Wohnzimmer, teils Reliquienschrein für den Film mit einer Sammlung von Plakaten, Hexenhut, Zauberstab, Figuren des Feigen Löwen und
des Blechmanns und einer ausgestopften Reproduktion von Toto.
    »Möchten Sie nicht eintreten, um den Schaukasten zu sehen, aus dem die Schuhe entwendet wurden?«, fragte Wellstone.
    »Lieber nicht.« Gurney wich auf den Weg zurück. »Wenn Sie der Einzige sind, der seit der Abreise Ihrer Gäste drinnen war, würde ich es gern so lassen, bis wir ein

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