Die Hazienda des Gluecks
Summen der Bienen zu hören, die emsig zwischen den Blüten der Feigenbäume und Maulbeerbüsche hin und her schwirrten. Sie atmete tief ein und spürte die Wärme der Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Schmetterlinge mit durchsichtigen Flügeln flatterten durch die Luft, und hängende Zypressen beschatteten eine Bank, auf der Colette sich schließlich niederließ und ihren Gedanken nachhing. Sie konnte nicht leugnen, dass die Hazienda ein vollendetes Meisterwerk war, an dem Menschen viele Jähre hindurch mit Geschicklichkeit und Liebe gearbeitet hatten. Nicht ein einziger Baum oder ein Stück Mauerwerk trübten diesen Eindruck perfekter Harmonie. Es musste einen tiefen Eindruck in jedem hervorrufen, der einen Sinn für echte Schönheit hatte, genau wie eine unvergessliche Melodie oder ein unvergängliches Gedicht.
Colette schaute sich um und staunte darüber, dass sie die Herrin all dieser Pracht war.
Zum erstenmal, seit sie hier angekommen war, ging es ihr durch den Kopf, dass sie ja die Patrona war. Jetzt endlich begriff sie, warum Marcus gewollt hatte, dass sie die Frau des Don Diablo Ezreldo Ruy wurde. Er, der sie gelehrt hatte, dass Liebe nur Kummer bringt, hatte darauf gesetzt, dass sie ihr Herz der Hazienda schenken und den Mann ertragen würde, dem der Besitz gehörte.
Colette seufzte und griff nach einer zarten grünen Ranke. Unbewusst führte sie sie an die Lippen, so wie Don Diablo es vorhin mit einer ihrer blonden Haarsträhnen getan hatte.
In den nächsten Tagen war Colette vollauf damit beschäftigt, die Schönheiten der Hazienda kennenzulernen. Erst in der Mitte der Woche von Don Diablos Abwesenheit bat sie Juan Feliz, sie in die Stadt zu fahren. Sie hatte doch beschlossen, den Zorn Don Diablos nicht dadurch herauszufordern, dass sie seinen Wagen nahm und vielleicht mit ihrem unsicheren Fahren noch einen Unfall verschuldete. In den wenigen Tagen ihres Alleinseins hatte sie begriffen, was für eine große Verantwortung es war, die Herrin eines so ausgedehnten Besitzes zu sein. So viele Menschen waren hier beschäftigt, die ihr Schicksal vertrauensvoll in die Hand Don Diablos legten. Und auch sie, die ihm am nächsten stand, war für diese Leute eine Respektsperson, zu der sie mit Achtung aufschauten.
Nun gab sie Juan Feliz Anweisung, das Auto aus der Garage zu holen, und ging dann in ihr Zimmer, um sich umzuziehen. Diesmal verwandte sie sehr viel Sorgfalt auf die Auswahl ihrer Garderobe. Sie entschied sich für ein Kleid aus türkisfarbener Angorawolle. Um ihren Hals trug sie die Perlen, die ihrer Mutter gehört hatten, und in den Ohrläppchen befestigte sie dazu passende Clips. Sie legte kein Make-up auf, sondern benutzte nur einen Hauch zartrosa Lippenstift.
Als sie fertig war, sah Colette sehr elegant aus - vielleicht eine Spur zu auffällig für einen einfachen Einkaufsbummel. Wenn die alte Carmen zufällig draußen durch die Halle schlurfte, würde sie sich wundern, warum die Senora sich auf einmal so in Schale geworfen hatte.
Colette wusste sehr wohl, dass sie diese alte Frau nicht so leicht hinters Licht führen konnte.
Sie musste in ihr eine ge fährliche Spionin im Dienste Don Diablos sehen.
Colette reckte ihr Kinn trotzig empor. Sie wollte in die Stadt und würde sich nicht durch das mögliche Misstrauen der alten Carmen von ihrem Plan abhalten lassen. Die Alte konnte nichts weiter als Vermutungen anstellen, und jeder im Haus war an ihre geheimnisvollen Bemerkungen und Prophezeiungen kommenden Unheils gewöhnt.
So beiläufig wie möglich schritt Colette die gewundene Treppe hinunter, aber ihr wurde doch recht flau im Magen, als sie die gebückte Gestalt erblickte, die sich mit einem Staubwedel an den Möbeln zu schaffen machte. Sie tat so, als sei sie furchtbar beschäftigt mit ihrer Aufgabe, dabei war es nur ein Vorwand für sie, um sich ihre Herrin auf dem Wege in die Stadt genau anzusehen.
"Aha. Ich stelle fest, dass die Hosen beiseite gelegt worden sind, Senora. Sie sehen so aus, als wollten Sie zu einer Party gehen - mit einem Begleiter."
"Ich muss doch an die Position des Senors denken." Colette bemühte sich, die Fassung zu wahren. "Es würde sich doch nicht gehören, wenn ich mich anders als die perfekte Ehefrau eines mächtigen Landbesitzers in der Stadt sehen ließe, oder?" Colette wusste, dass Carmen nicht wirklich wissen konnte, wohin sie ging. Die Alte versuchte nur, sie nervös zu machen.
Draußen wartete das Auto, und Juan Feliz, der in seiner hellbraunen Uniform und
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