Die Hazienda des Gluecks
gepflegt zu sein. "Ich fürchte, ich habe ihr Taschentuch ruiniert, Senor", sagte sie mit von Tränen heiserer Stimme. "Ich würde Ihnen ja anbieten es zu waschen, aber man hat mich aus Stonehill hinausgeworfen, als ob ich niemals dorthin gehört hätte. Wenn das hier ein Film wäre, sollte jetzt der Sturm heulen und peitschend er Regen auf das arme Waisenkind niedergehen!"
Sie seufzte. "Es ist eigentlich zum Lachen, aber ich bin zu traurig dazu. Im Augenblick sollte ich wie die anderen Blumen auf Marcus' Grab legen, aber sie behaupten, dass ich nicht zur Familie gehöre. Lucrezias Anwesenheit erlauben sie, weil sie seine Amme war, als er geboren wurde. Komisch, ich konnte mir Marcus nie als kleinen Jungen vorstellen. Er kam mir immer so erfahren und weltgewandt vor."
Colette sah dem Mexikaner geradewegs in die Augen. Er hatte den Blick eindringlich auf ihr Gesicht geheftet. "Ich habe sehr an Marcus gehangen. Es gibt nichts, was ich nicht für ihn getan hätte."
"Das freut mich." Der Ausdruck seiner Augen war unergründlich. Es waren tiefliegende, aber keine kleinen Augen. Die schwer herabhängenden Lider erinnerten an eine aus Holz geschnitzte Statue, und die dichten langen Wimpern verstärkten diesen Eindruck noch.
Vermutlich floss Indianerblut in seinen Adern, denn seine Haut war bronzefarben getönt, und mit seinen hervorstehenden Wangenknochen sah er aus wie einer der Aztekenkrieger des alten Mexiko. Es war nichts an ihm, was Colette unattraktiv gefunden hätte ... und doch rief er ein unbestimmtes Angstgefühl in ihr hervor.
Sie senkte die Lider, weil sie seinen Blick nicht länger ertragen konnte, mit dem er bis in ihre innersten Gedanken zu sehen schien.
"Sind Sie hungrig, Senorita? Ich nehme an, dass Sie kein besonders reichhaltiges Frühstück zu sich genommen haben, und jetzt ist es beinah schon Mittag."
"Ich hatte eigentlich keinen Hunger ..." Aus irgendeinem unerfindlichen Grund verblüffte sie seine Besorgnis. "Aber ich glaube - ja, ich könnte jetzt etwas vertragen."
"Dann darf ich bitten: Es ist angerichtet, Senorita", sagte er und hob einen Picknickkorb unter der Bank hervor, in dem ein kaltes gebratenes Hähnchen, Tomaten, Sesambrötchen und Wein in einer bauchigen Flasche waren. Er hatte auch an Weingläser gedacht, und als er eingeschenkt hatte, schimmerte die Flüssigkeit rubinrot in den Gläsern.
"Trinken Sie das hier zuerst einmal." Er reichte Colette ein Glas Wein, und sie sah an seinem Gesichtsausdruck, dass er keine Weigerung dulden würde. Sie nahm es aus seiner Hand, und er murmelte: "Salud, Senorita. Möge der Wein Ihren Schmerz ein wenig lindern."
Was für ein seltsamer Mann, dachte Colette, man konnte seinem Willen nicht trotzen, und so aß sie sein Essen und trank seinen Wein, ohne auch nur den geringsten Widerspruch zu erheben. Nach einem Dessert aus riesigen Erdbeeren ließ sich Colette aufseufzend in die Polster des Wagens zurücksinken. Ihre Gedanken und Gefühle wurden von einem angenehmen Nebel eingehüllt, den der Wein hervorgerufen hatte.
"Sie sagten, Don Diablo, dass Sie mir etwas zu sagen hätten." Sie bemühte sich, ihre Stimme tapfer und unerschrocken klingen zu lassen, dabei kam sie sich so einsam und verloren vor. Marcus war nicht bei ihr.
Sie sah ihn an. "Oder war Ihr Telefonanruf nur ein Vorwand, um mich hierher zu locken?"
fragte sie.
"Ich benutze niemals Vorwände, Senorita." Auch er lehnte sich in die Polster zurück und drehte eine flache, goldene Zigarettenschachtel in den Händen. "Gestatten Sie, dass ich rauche."
"Senorita, ich darf Ihnen versichern, dass ich Mr. Stonehill in der kurzen Zeit unserer Bekanntschaft als einen klugen und scharfsinnigen Mann schätzen gelernt habe, der auf seine eigene Art ein ausgeprägtes Ehrgefühl besaß. Sind Sie gar nicht neugierig, wie es dazu kam, dass wir miteinander bekannt wurden?"
"Natürlich", sagte sie. "Ich habe meinen Vormund auf allen seinen Reisen begleitet, aber wir sind niemals in Mexiko gewesen. Wir haben Sie auch nirgendwo anders getroffen, und er hat kein einziges Mal einen Don Diablo erwähnt."
"Wir haben uns erst kennengelernt, als ich nach Stonehill Mansion kam. Eine sehr seltsame Geschichte hat mich hierher nach England geführt. Marcus hätte sie Ihnen sicher selbst erzählt, wenn sein Schicksal ihn nicht so plötzlich ereilt hätte. Würden Sie mir bitte geduldig zuhören, Senorita?"
"Ich habe ja nichts anderes zu tun", erwiderte sie mit einem Anflug trockenen Humors.
"Und ich höre
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