Die Hazienda des Gluecks
Länder, aber das Gesicht war noch immer deutlich zu erkennen: hellblondes Haar, das in einer Welle tief in die Stirn fiel, und Augen wie dunkle Teiche. Es ähnelte Cole tte wie das Bild einer Zwillingsschwester.
"Diese schöne Frau war Ihre Mutter, Senorita?"
"Ja", flüsterte Colette. "Und mein Vater hieß Charles. Aber das Ganze ist einfach unglaublich, Senor." Sie hielt die Miniatur in der Hand und versuchte sich die Kette am Hals jenes reisenden Händlers vorzustellen, der vor so vielen Jahren aus ihrem Leben verschwunden war ... und der jetzt wie ein Geist aus der Vergangenheit wiederauftauchte.
Ausgerechnet an diesem Tag, an dem Marcus zur letzten Ruhe gebettet wurde.
"Nicht unglaublich", sagte Don Diablo, "Schicksal. Er hat Sie in der Obhut von Marcus Stonehill gelassen, und jetzt hat Marcus Sie mir anvertraut."
"Was wollen Sie damit sagen?"
"Genau das, was Sie eben gehört haben, Senorita. Sie sind in meine Hand gegeben - falls Ihnen das nicht zu melodramatisch klingt."
"Nur Marcus hatte das Recht, so etwas zu behaupten", widersprach sie heftig. "Nur er allein konnte über mich bestimmen. Und das auch bloß, weil ich es so wollte."
"Sie haben immer getan, was er von Ihnen verlangte? Sie haben seinen Wünschen immer gehorcht?"
"Ich habe ihn geliebt! Er war der einzige Mensch, der sich um mich gekümmert hat, nachdem meine Mutter gestorben war. Natürlich war ich ihm dafür dankbar und habe mich seinem Willen gefügt. Auf diese Weise konnte ich wenigstens einen Teil meiner Schuld begleichen, denn wenn es danach gegangen wäre, wie mein wirklicher Vater sich um mich kümmerte, dann wäre ich in einem Waisenhaus gelandet!"
"Da muss ich Ihnen recht geben." Don Diablo lehnte sich vor und sah ihr direkt in die Augen. Sein Blick hatte eine hypnotische Kraft, oder so kam es Colette zumindest vor.
"Ihr Vormund", sagte er langsam und bedächtig, "wollte, dass Sie meine Frau werden.
Darum ging es in unserem Gespräch an jenem Nachmittag, als ich nach Stonehill kam. Er wusste, wie es um seine Gesundheit bestellt war, und deshalb wollte er noch dafür sorgen, dass Sie eine gesicherte Zukunft vor sich hätten. Zweifeln Sie etwa an meinem Wort, Senorita? Sie kannten Ihren Vormund besser als jeder andere. Es war Ihnen doch sicher bekannt, dass er einen reichen Ehemann für Sie suchte."
Colette kauerte sich auf ihrem Polstersitz zusammen wie eine Katze. Sie hätte am liebsten geschrien, gekratzt und um ihre Freiheit gekämpft, aber von diesem seltsamen Mann aus einer anderen Welt ging eine Kraft aus, die sie in ihren Bann schlug und zur Unbeweglichkeit erstarren ließ.
"Aber Sie kennen mich nicht - Sie lieben mich nicht", wandte sie heiser ein.
"Oh, sagen Sie das nicht so leichtfertig!" Er lächelte sie an. "In Mexiko, Senorita, lernt man sich oft genug erst nach der Heirat kennen und lieben."
2. KAPITEL
Die Hazienda war von märchenhafter, exotischer Schönheit, aber Colette kam es so vor, als wäre sie in einem Alptraum gefangen, aus dem sie nicht erwachen konnte.
Sie hatte einen Mann geheiratet, den sie kaum kannte, und die Feier selbst war nur noch eine undeutliche Erinnerung. Die Hochzeit hatte in der Kirche von St. Anne stattgefunden, die ganz in der Nähe von Stonehill Mansion lag. Sie roch noch den Duft der Rosen und sah die flackernden Kerzen vor sich. Der Priester hatte lateinische Worte gesprochen, die sie nicht verstanden hatte, sie hätte ja gesagt, und sie hatte mit Don Diablo die goldenen Ringe gewechselt.
Dann waren sie in rascher Fahrt zum Flugplatz gefahren - die Warnlampen entlang der Rollbahn hatten durch den Regen geschimmert, aber hier in Mexiko brannte die Sonne gnadenlos von einem wolkenlosen Himmel herab. Von den hohen Mauern, die die Hazienda umgaben, rankten sich scharlachrote Blumen auf die Erde, als hätte man das prächtige Cape eines Stierkämpfers über die weißen Steine geworfen.
Es war ein Ort, der für Liebende wie geschaffen war - aber sie liebte Don Diablo nicht.
Sie kannte ihren Mann ja nicht einmal richtig, und so erschien ihr die Hazienda wie ein Gefängnis, das hoch auf einem Felsen über einer Schlucht thronte. Die Abhänge waren mit üppigem Buschwerk, fremdartigen Farnen und Schlingpflanzen mit riesigen Blüten überwuchert. Die kleinen Wasserfälle, die in die Tiefe hinabrauschten, sahen vo n fern aus wie Bänder aus flüssigem Silber. Aber all die Schönheit der Natur ließ Colette kalt.
Einige hundert Menschen lebten und arbeiteten auf der Hazienda. Der
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