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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberta Rich
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doch nur schon zu Hause auf sie warten würde, bereit, ihr die Schröpfgläser auf den Rücken zu setzen, der von den Stunden am Bett der Contessa völlig verspannt war. Die Gläser würden ihr die Schmerzen aus dem Körper ziehen und sie entspannt einschlafen lassen.
    »Der Conte wartet draußen«, sagte Giovanna. »Zeigen wir ihm seinen gesunden kleinen Gierhals, der mich völlig leertrinkt. Dann kann sie ihren Lohn entgegennehmen und gehen.«

Kapitel 6

    D ie Frau war bereits ihre Feindin. Warum es noch schlimmer machen?
    »Vielen Dank für ihre Hilfe, Giovanna«, sagte Hannah und ging aus dem Raum.
    Der Conte saß zusammengesunken in einem Sessel und schlief, das Kinn auf der Brust. Die Morgendämmerung tauchte die Stadt in goldenes Licht, und die Sonne stach mit langen Lichtbalken durch die Fenster, die wie in einer Basilika hoch oben die Mauer durchbrachen. Diese Lichtfülle – wie dunkel war dagegen ihr kleines Zimmer im Ghetto, in dem selbst noch zur Mittagszeit Kerzenlicht nötig war.
    Müde ließ sie sich gegen die Wand sinken, zuckte aber zurück und stand gleich wieder aufrecht, als sich ihr ein marmorner Mauervorsprung in den Rücken grub. Sie ging auf den Conte zu, fasste ihn an der Schulter und weckte ihn auf.
    »Ich habe wundervolle Nachrichten für Euch. Ihr habt ein schönes, gesundes Kind, an dem alles dran ist, mit einem feinen rötlichen Schopf.«
    Er starrte sie an und schien nicht gleich fassen zu können, was sie ihm sagte.
    »Ein gesundes Kind«, wiederholte sie. »Soll ich es Euch zeigen?«
    Als er nicht antwortete, fragte sie: »Habt Ihr die ganze Nacht hier gewartet?«
    »Wie geht es Lucia?« Er rieb sich die Augen. Seine Stimme klang bedrückt, als rechnete er mit dem Schlimmsten.
    »Sie lebt, aber es war nicht einfach für sie.«
    »Wird sie sich erholen?«
    »Vielleicht, wenn Gott es so will.«
    »Ich schwöre, wenn der Allmächtige meine Frau verschont, werde ich sie nie wieder schwängern.« Er stand auf und schüttelte sich wach.
    Juden waren erfahren in der Kunst der Zurückhaltung. Eheliche Beziehungen waren während der unreinen Periode der Frau für zwölf Tage verboten, desgleichen für vierzig Tage nach einer Niederkunft. Christen dagegen, das war allgemein bekannt, bewiesen im Ehebett kaum Selbstkontrolle.
    »Ihr seid müde«, sagte Hannah. Die Unschicklichkeit in Kauf nehmend, legte sie ihm die Hand auf den Unterarm und strich kurz darüber. »Und um die Wahrheit zu sagen: Ich glaube nicht, dass Eure Frau noch ein weiteres Kind empfangen kann, auch wenn sie ganz wieder zu Kräften kommt. So wird dieses Euer einziges bleiben. Kommt und heißt den Kleinen willkommen. Er genießt gerade seine erste Mahlzeit.«
    »Sie sagt, es ist ein Junge?«
    »Ja, Gott sei gelobt, ein schöner, gesunder Junge.«
    Der Conte umarmte sie so fest, dass es ihr die Rippen zusammendrückte. Er hob sie in die Höhe und wirbelte sie im Kreis. Ihre blaue Cioppà wehte um sie herum.
    »Bitte«, sagte sie.
    Der Conte grinste und setzte sie wieder am Boden ab. »Gott segne sie, Hannah. Nach all diesen Jahren habe ich einen Erben. Sie macht mich zu einem sehr glücklichen Mann.«
    Sie betraten das Schlafzimmer der Contessa, in dem es immer noch kupfern nach Blut roch. Die Contessa lag zitternd unter ihrem Federbett. Der Conte betrachtete das Baby, das an Giovannas Brust saugte, und setzte sich zu seiner Frau. Er nahm ihre Hand und rieb sie.
    »Mein Liebling, danke für dieses Kind. Möge Gott deine Gesundheit so schnell wiederherstellen, dass du auf seiner Tauffeier tanzen kannst.« Er beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn. »Und jetzt schlaf.«
    Obwohl Lucia immer noch fiebrig zitterte, öffnete sie die Augen und lächelte.
    Als das Baby gesättigt schien, nahm Hannah es von Giovanna entgegen und trug es zum Bett. Sie hielt dem Conte den Kleinen hin, der aufmerksam das müde Gesichtchen des Babys betrachtete.
    »Kannst du ihn sehen?«, sagte er zu seiner Frau. »Es ist ein Junge. Ein schöner, rotwangiger Junge.«
    Lucia schien ihren Mann nicht zu hören.
    Der Junge griff mit der einen Hand nach Hannahs Finger und winkte mit der anderen ins Licht. Hannah hielt den Kleinen weiter dem Conte hin und sagte die Sätze, die sie schon so oft nach einer Geburt gesagt hatte: »Gott, danke, dass Du diesem Kind das Leben geschenkt hast. Möge es wachsen und …« Sie hielt inne und wusste kurz nicht weiter. Beinahe hätte sie gesagt: »… und ein guter Thora-Schüler werden«, aber schon hatte sie sich

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