Die Hebamme von Venedig
und ihre Schwester damit zu tun?«
Jessica schwieg einen Moment und antwortete dann: »Niccolò ist von Straßenräubern gestellt und getötet worden, als er betrunken von einem Fest in der Calle Venier nach Hause schwankte.«
»Woher will sie das wissen?«
»Euer Gnaden, in meiner Profession wissen wir einiges über bestimmte Adlige der Stadt, und die Straßen haben mehr Ohren als Pflastersteine. Ich habe gehört, dass Niccolò di Padovani so betrunken war, dass ihm bei seiner Kurtisane die Manneskraft versagte. Auf die Straße ist er daraufhin geflüchtet, und als seine Freunde ihm folgten, um ihn nach Hause zu bringen, war er nirgends zu finden. Alle Welt weiß, dass die Gassen Venedigs nachts in den Händen von Dieben und Straßenräubern sind. Meine Schwester hat mit seinem Tod nichts zu tun.«
»Sie ist eine Hure und eine Lügnerin!«, sagte Jacopo. »Mein Bruder wurde im Rio della Misericordia gefunden. Getötet von den Messerstichen dieser Jüdin.« Damit deutete er auf Hannah.
Jessica drehte sich zu ihm hin. »Es gibt Gerüchte, dass Ihr und Euer Bruder Niccolò große Schulden bei den Geldverleihern habt, weil ihr zu viel Zeit mit dem Glücksspiel verbringt. Wie schön wäre es da für Euch, wenn Eure jüdischen Gläubiger getötet würden.« Sie machte eine Pause. »Ihr benutzt die Prosecuti, sie sollen die schmutzige Arbeit für Euch erledigen.«
Der Richter sah Jacopo an. »Was führt Ihr im Sinn? Untersteht Ihr Euch, mein Amt zu missbrauchen?«
»Warum glaubt Ihr dem Wort einer Hure mehr als dem eines Edelmannes?«
»Beantwortet meine Frage. Das einzige Verbrechen dieser Frau besteht bisher darin, dass sie sich um ihre kranke Schwester und ihr Baby kümmert. Ihr dagegen habt selbst zugegeben, das Gesetz gebrochen zu haben.«
Jacopo schwieg und schien unsicher, wie er weiter verfahren sollte.
»Ihr steuert durch gefährliche Gewässer, mein Freund.« Richter Zoccoli sprach langsam, als wäre ein Schreiber anwesend, der seine Worte notierte. »Soweit ich weiß, habt Ihr, Jacopo di Padovani, Euren Bruder nach einer geschwisterlichen Auseinandersetzung in den Kanal geworfen. So fasse ich denn folgenden Beschluss: Diese Frau ist zu krank, um meine Fragen zu beantworten. Wenn sie überlebt, gut. Dann werde ich sie befragen. Natürlich kann ich sie nicht in Gewahrsam nehmen, ohne die Pestilenz weiter zu verbreiten. Meine Soldaten werden draußen in Stellung bleiben und dafür sorgen, dass weder sie noch das Baby das Haus verlassen. In fünf Tagen komme ich zurück. Da ist sie entweder tot, was das Ende des Falles bedeuten würde, oder Hannah Levi geht es wieder gut genug, um sich meinen Fragen zu stellen und ihre Wahrhaftigkeit durch die Folter überprüfen zu lassen.«
Hannah wusste, wenn man ihr die Arme hinter den Rücken band und sie daran hochzog, bis ihr die Gliedmaßen aus den Gelenken sprangen, würde sie alles zugeben.
»Durchschaut Ihr diese Scharade nicht?«, fragte Jacopo.
»Meine Soldaten werden Tag und Nacht Wache halten«, erwiderte der Richter. »Nichts ist verloren, wenn wir das Urteil um fünf Tage zurückstellen.«
»Aber wenn es diesen Frauen gelingt, euren Männern zu entkommen und die Stadt zu verlassen? Die da …«, er deutete in Hannahs Richtung, »plant, nach Malta zu segeln.«
»Venedig hat im Augenblick größere Probleme als diese Jüdin. Im Übrigen hat der Doge verkündet, dass die Stadt in zwei Tagen unter Quarantäne gestellt wird. Dann wird weder ein Schiff noch sonst etwas nach Malta aufbrechen.« Der Richter sah Jessica an. »Für heute soll es genug sein.« Damit ging er zur Tür, gefolgt von Jacopo. Jessica warf einen letzten heimlichen Blick auf Hannah, erleichtert, und folgte den beiden aus dem Zimmer, die Treppe hinunter und zur Tür. Hannah lag bewegungslos da, während Jessica die Männer hinausbrachte.
Als sie zurück ins Zimmer kam, hielt Jessica ihrer Schwester demonstrativ die Hand hin. »Sieh nur, wie ich zittere. Ich brauche jetzt ein Glas Wein«, sagte sie und setzte gleich noch hinzu: »Und du auch.«
»Du warst großartig«, sagte Hannah. »Nichts, was sie gesagt haben, schien dich auch nur im Geringsten zu verwirren. Ich hätte nie gedacht, dass du zu so etwas fähig wärst. Meine kleine Schwester hat mehr Mut, als ich mir je hätte vorstellen können.«
Jessica trat ans Fenster, zog den Vorhangstoff ein wenig zur Seite und sah nach draußen. »Der Untersuchungsrichter steigt in seine Gondel.«
»Und die Soldaten?«, fragte
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