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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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umkreist, als wollte er unbedingt, dass sein Tadel sie von allen Seiten traf. Sie war darauf vorbereitet gewesen. Sie hatte verstanden, dass er die Enttäuschung des gesamten Dorfes zum Ausdruck brachte, und sie fand es gerecht, ja fast erleichterte es sie, dass sie dafür zahlen musste.
    »Ich möchte Sie bitten, mich wieder zur Schülerin zu nehmen.«
     
    »Ja, ja.« Er klang nicht erbost, nicht einmal abweisend. Er blickte ins Feuer, und sie fragte sich, ob sie bereits gescheitert war, sich die Sätze vergeblich zurechtgelegt hatte. In ihrer Hand erhitzten sich die Münzen, während er sie warten ließ.
    »Es fällt leicht, um etwas zu bitten, wenn man der Antwort sicher sein kann, nicht wahr?«, sagte er plötzlich. »Was also führt Sie in dieser Dringlichkeit zu mir, Langwasser, ohne dass es Zeit gehabt hätte, mir dies morgen im Institut vorzutragen? Wollten Sie sich für Ihr anmaßendes Verhalten entschuldigen, was Sie zweifellos bislang versäumten? Wollten Sie mir unter vier Augen mitteilen, dass Sie zukünftig bereit sind, sich der Haushebamme unterzuordnen, obwohl Sie sich selbst für klüger halten?«
    »Ich wollte nie anmaßend sein«, sagte Gesa leise. »Bitte verzeihen Sie mir.« Nichts von dem, was sie sagte, machte wohl Eindruck auf ihn.
    Er trank einen Schluck.
    »Man hat Sie wissen lassen«, sagte er, »dass ich die Ausbildungszeit verlängert habe …«
    »Mich wissen lassen?« Es schien ihr, als müsste die Zunge am Gaumen festkleben, doch schlimmer war, dass sie sich fühlte, als sei sie sehr schwer von Begriff.
    »Sind Sie deshalb hier? Wollen Sie mit mir darum schachern?«
    »Nein, ich …«
    »In diesem Punkt werde ich unnachgiebig sein«, hörte sie ihn sagen, und der Hals schwoll ihr zu. »Sie werden die zusätzliche Anzahl von Monaten im Accouchierhaus verbringen müssen, bis Sie ein volles Jahr absolviert haben, so wie es jede zukünftige Schülerin zu leisten hat.«
    Hastig wischte Gesa die verschwitzten Münzen an ihrem Rock ab, als Kilian aufstand und sein Glas auf dem Tisch abstellte.
    »Die Protektion bringt Ihnen keinen Vorteil, Langwasser, das sollten Sie wissen. Im Gegenteil werde ich von Ihnen das Meiste verlangen und Sie dem schärfsten Urteil aussetzen. Wenn ich bereit bin, Sie weiter zu unterweisen, so liegt dies darin begründet, dass ich Sie trotz allem für tüchtig halte. Da man Sie nun zurückgerufen hat und Sie um nichts bitten mussten, wird Ihnen, so fürchte ich, die Einsicht fehlen, welche Auszeichnung es bedeutet, zu den ersten Hebammen unseres Landes zu gehören, die eine derart ausführliche Unterweisung erhalten …«
    »Was Sie verlangen, will ich doch alles tun, und bitte, haben Sie keinen Zweifel daran.« Sie gab sich alle Mühe, ihre Stimme fest klingen zu lassen. »Ich will Hebamme sein. Deshalb bin zurückgekommen. Vielleicht denken Sie noch immer, dass ich Ihr Vertrauen nicht verdiene, doch ich will …«
    »Alles tun, jaja.«
    Sie trat vor bis zur Kante des Teppichs, sodass ihre schmutzigen Schuhe ihn nicht berührten. Sie legte die Münzen auf die Ecke des Tisches, während sie Kilian nicht aus den Augen ließ, der einen ungeduldigen Laut von sich gab.
    »Was soll das denn nun wieder sein?« Er klaubte die Münzen vom Tisch und betrachtete sie dann mit widerwilligem Interesse.
    »Ich kann es bezahlen«, sagte sie.
    »Mit spanischen Silberdollar?«
    »Sie kommen von Amerika«, sagte Gesa, »mein Vater hat sie geschickt. Ich kenne ihren Wert nicht, aber …«
    Er warf die Münzen zurück. Er mochte es nicht beabsichtigt haben, doch sie sprangen vom Tisch und trudelten über den Teppich.
    »Amerika. Also bitte, stecken Sie Ihr abenteuerliches Geld ein, und gehen Sie. Ich erwarte Besuch.«
    Die Tränen ließen sich nicht mehr aufhalten, und nun, dachte Gesa, war kaum mehr etwas zu verderben. Deshalb blieb sie stehen an dem fein gedeckten Tisch, obwohl der Professor sich schon zu Tür bewegte, um sie nur endlich loszuwerden – Gesa Langwasser, die verschmutze, erhitzte und verheulte Person.
    »Nehmen Sie es doch«, flüsterte sie. »Ich habe nichts anderes.«
    »Das Honorarium für Sie ist entrichtet. Also bitte – Sie wissen das. Doktor Heuser bestand darauf, dies zu tun.«
    »Nein.« Sie hob die Geldstücke auf und legte sie behutsam zurück auf den Tisch neben das geleerte Weinglas.
    Sie ging zur Tür, die sie selbst öffnete, da der Professor es vorzog, sich von ihr fern zu halten.
    »Ich bitte Sie«, gelang es ihr zu sagen, »allein von mir das Geld

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