Die Hebamme
der Bauchhöhle quellende Blut mit Tüchern auf. Sie sah die rötlich-blaue Oberfläche des Uterus, die der Professor jenseits des Risses schnell durchtrennen musste. Während sie die Bauchöffnung fixierte, damit Kilian das Kind an den Füßen packen und mit einem Ruck hervorziehen konnte, während Agnes’ Sohn aus dem Tod geboren wurde, hatte sein Vater sich in der Werkstatt verschanzt.
Mit Schrecken durcheilten die Nachbarinnen das Haus, durften endlich heißes Wasser und saubere Tücher bringen, wenigstens nur dies tun, was eine Geburt für gewöhnlich nach sich zog. Sie mussten die Augen abwenden von Agnes, deren geöffneten Leib der Professor wie ein Stück Leinwand vernähte. Sie sahen es mit Entsetzen, doch wäre nicht ohne ihn das Kind mit Agnes zugrunde gegangen? Man durfte dies nicht vergessen. Dann wäre es der Gottschalkin nicht gegeben, um die schwachen Lebensgeister des Kleinen zu ringen. Also brachten die Frauen der Hebamme alles, was sie benötigte. Sie konnten sehen, wie sie mit dem Bart einer Feder den Mund des Neugeborenen von rotem Schleim befreite, wie sie zwischen blutigen Tüchern kniete und es in warmem Wasser mit Branntwein badete. Unablässig rieb die Gottschalkin den kleinen Körper, da doch sein Herz nur sehr flach schlug. Sie gab nicht auf und blies dem Kind ihren Atem ein, drückte ihm sanft die Brust zusammen, um ihn am Leben zu halten. Sie mochte dies eine Stunde und länger getan haben.
Noch am Abend würden die Nachbarinnen zu berichten wissen, dass Büttner in Raserei verfallen war. Sie hatten den Kupferstecher die Bilder verfluchen hören, und das vielfache Reißen von Papier.
Sie würden erzählen, dass er ihnen, den Bildern, die Schuld gab an allem. Es musste seinem unbändigen Schmerz zuzuschreiben sein, dass er auch die Gottschalkin verfluchte. Selbst der Oberste Pfarrer konnte ihn kaum besänftigen. Das Kind war noch schwach, aber es lebte, und das war ein Wunder. Doch Büttner wollte nichts wissen von ihm, und so gab Siebert ihm den Namen Jakob, als er es in den Armen der Hebamme taufte.
Mehr als alles hüte dein Herz, denn von ihm geht das Leben aus.
Elgin stand mit dem Kind vor der Wiege, die man in das Nebenzimmer getragen hatte, in die Nähe eines Kachelofens. Und obwohl man das kleine Bett mit weichen, angewärmten Tüchern ausgelegt hatte, brachte sie es nicht fertig, das Kind hineinzulegen. Sie wagte es nicht. Zum ersten Mal in ihrem Leben fürchtete sie sich davor, mit sich allein zu sein.
»Gottschalkin?«
Als Kilian ins Zimmer trat, begegneten sie einander wie zwei müde Krieger. Ein Augenblick nur, der verstrich.
»Ich werde hier bleiben«, sagte sie. »Nicht nur wegen des Kindes, auch wegen Büttner. Man darf ihn nicht allein lassen.«
»Nein, das nicht. Allerdings …« Der Professor betrachtete sie sehr aufmerksam. Es verlangte ihr große Selbstbeherrschung ab.
»Der Mann ist voller Gram, er sucht nach Gründen, man kennt das …«
»Ja.«
»Er gibt sich die Schuld, genauer gesagt seiner Arbeit für Ihr Buch …«
»Ich werde mit ihm sprechen.«
»Das nähme keinen guten Ausgang, fürchte ich.«
»Wenn ich heute nicht zu ihm vordringen kann, dann vielleicht morgen. Ich werde in seiner Nähe sein, bis es mir gelungen ist.«
Sie sah eine Regung in seinem Gesicht, die man für echte Sorge halten konnte, nur wusste sie nicht, wem sie galt. Dem schlafenden Kind, das sie an sich drückte? Büttner? Ihr etwa, da er die Anstrengung bemerkte?
»Nun also, Büttner will nicht …«, sagte Kilian schleppend, »… er erträgt es nicht, Ihnen weiter zu begegnen, Gottschalkin. Man muss ihm das nachsehen.«
»Ja.«
»Kaum, dass er sein Kind bei sich haben will. Nur mit Mühe konnte ich ihn davon überzeugen, eine Amme ins Haus zu holen. Glücklicherweise befinden sich derzeit in unserem Institut zwei Wöchnerinnen, die dafür zur Verfügung stünden …«
»Ich verstehe«, sagte Elgin. »Und Sie werden verstehen, dass ich nicht gehen möchte, ohne wenigstens versucht zu haben, mit Büttner zu sprechen.«
»Selbstverständlich.« Als er in die Rocktasche griff, lächelte er, und fast dachte sie, er wollte ihr sein Einstecktuch reichen, damit sie vielleicht den Schweiß von ihren Schläfen tupfen konnte.
»Nennt man dies nicht einen Schreckstein?«
Er hielt den silbern gefassten Bergkristall ins Kerzenlicht, so, wie sie es vor einer Ewigkeit für Agnes getan hatte. Sie musste sich abwenden.
»Ja, so nennt man ihn. Wollen Sie mich abergläubischer
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